Beschluss der G20-Staaten: Endlich höhere Steuern für Superreiche! Oder doch nicht?

D er Beschluss der G20-Staaten macht uns…

…hoffnungsvoll

Auf dem G20-Gipfel wurde beschlossen, dass es ein gemeinsames Bemühen geben solle, sehr vermögende Personen effektiv zu besteuern. Ein Bemühen? Wie reizend!

Realistisch betrachtet heißt das: Dieser Auftrag an die 20 einflussreichsten Staatenlenker ist das Papier nicht wert, auf dem er steht. Die Regierungschefs werden sich einen Dreck darum scheren. Umso mehr, wenn sie Trump heißen.

wochentaz

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Und dennoch ist es gut, dass das nun im Abschlussdokument steht. Weil es in der Diskussion um verantwortungslosen Reichtum damit ein gewichtiges Momentum gibt, diesen anzuprangern. Es ist wie ein Beweis. „Seht, nicht nur ich sage es, die sagen es auch!“

Jeder alkoholkranke Obdachlose muss für seinen Fusel Mehrwertsteuer abdrücken, er hat nichts, zahlt aber Steuern. Reiche dagegen finanzieren eine Armada an Anwälten und Finanzleuten, damit sie am Ende noch etwas vom Finanzamt zurückbekommen. Elon Musk wurde nach der gewonnenen Wahl sagenhaft reicher in Erwartung zukünftiger Gewinne. Man rafft es nicht.

Wer bisher verantwortungslosen Reichtum anprangerte, landete schnell in der Vorwurfshölle, eine Neiddebatte anzuzetteln. Wis­sen­schaft­le­r*in­nen wiederum, die seit Jahren belegen, dass der größer werdende Abstand zwischen Arm und Reich gesellschaftszersetzend ist, landen bestenfalls in Talkshows. Und Klimaaktivist*innen, die nachweisen, dass Reiche das Klima ungleich stärker schädigen als Arme und entsprechend zahlen müssen, wird vorgeworfen, sie wollten eine Ökodiktatur. Es ist zum Heulen.

Dass nun 20 Staatenlenker fixieren, dass Reiche zur Kasse gebeten werden sollen, hilft allen, aus der Schmuddelecke herauszukommen. Das Dokument zeigt: Das Anliegen ist nicht abwegig, sondern real. Die Debatte über die gerechte Verteilung von Reichtum wird damit um einiges leichter.

Waltraud Schwab

…müde

Rund 3.000 Superreiche besitzen so viel Geld wie die Wirtschaftskraft der USA, Deutschlands, Japans, Indiens und Großbritanniens zusammen. Ja, das ist unerträglich. Ebenso wie die Tatsache, dass jährlich 492 Milliarden US-Dollar in den Steueroasen dieser Welt versickern. Die Vereinbarung von Rio, sehr hohe Vermögen in Zukunft wirksamer zu besteuern, will hier Abhilfe schaffen. 250 Milliarden Dollar könnten in die Herkunftsländer der Superreichen zurückfließen, so die Hoffnung.

Das Problem ist nur: Es wird eine fromme Hoffnung bleiben. Das Interesse an Steuergerechtigkeit ist dort, wo sich Kapital und Macht ballen, verschwindend klein. Deshalb wird dieser G20-Beschluss genauso folgenlos bleiben wie frühere Vorstöße. Schon die 2021 beschlossene Mindestgewinnsteuer von 15 Prozent für multinationale Konzerne war eine Enttäuschung: Um gerade mal 3 Prozent stiegen die Steuereinnahmen weltweit.

Die Schweiz als größter Kapitalparkplatz war in Rio nicht mal dabei. Sieht man sich dann an, in welchen Ländern die meisten Superreichen leben – USA, China und Deutschland – ist ein Erfolg der Reichensteuer utopisch. Unter dem Präsidenten Donald Trump mit dem reichsten Mann der Welt als Regierungsberater dürfte eine ultrakapitalfreundliche Politik gesetzt sein. China, unter dessen Einflusssphäre mit Hongkong und Singapur zwei besonders lukrative ­Steueroasen stehen, hat es auch nicht so mit der Umverteilung. Und Deutschland? Hat sich sofort gegen feste Steuersätze und eine Definition von „superreich“ ausgesprochen – dabei ist Friedrich Merz noch nicht mal Kanzler!

Vor diesem Hintergrund lässt die Ankündigung aus Rio nur müde Gähnen: Jedes Land, hieß es im Gipfelpapier, sei nun aufgerufen, geeignete Regularien und Maßnahmen zu entwickeln. Irgendwann. Vielleicht. Nie. Mit anderen Worten: Vergiss es.

Nina Apin

  • informationsspiegel

    Related Posts

    Kerzenlicht und Besinnlichkeit: Das Lied von Kerze und Feuer
    • December 7, 2025

    Unser Autor hielt Kerzen nur für überflüssige Dekoration, dann ist ihm ein Licht aufgegangen. Seitdem schaut er „Game of Thrones“ im flackernden Schein. mehr…

    Weiterlesen
    Parteitag des Bündnis Sahra Wagenknecht: Abgang auf Raten
    • December 7, 2025

    Das BSW gibt sich einen neuen Namen und eine neue Parteispitze. Ansonsten knirscht es aber. Zusammengehalten wird der Laden vom Kult um Sahra Wagenknecht. mehr…

    Weiterlesen

    Nicht verpassen

    Kerzenlicht und Besinnlichkeit: Das Lied von Kerze und Feuer

    • 2 views
    Kerzenlicht und Besinnlichkeit: Das Lied von Kerze und Feuer

    Parteitag des Bündnis Sahra Wagenknecht: Abgang auf Raten

    • 3 views
    Parteitag des Bündnis Sahra Wagenknecht: Abgang auf Raten

    Berichterstattung über Anti-AfD-Proteste: Freiheit verpflichtet

    • 3 views
    Berichterstattung über Anti-AfD-Proteste: Freiheit verpflichtet

    Neuer Münster-„Tatort“: Das Krimi-Rad nicht neu erfunden

    • 2 views
    Neuer Münster-„Tatort“: Das Krimi-Rad nicht neu erfunden

    Lübcke-Statue in Berlin-Mitte: Familie war in Aktion nicht eingebunden

    • 3 views
    Lübcke-Statue in Berlin-Mitte: Familie war in Aktion nicht eingebunden

    Queerer Sonntags-Clubs in Berlin: „So etwas gibt es sonst nirgends in Berlin“

    • 2 views
    Queerer Sonntags-Clubs in Berlin: „So etwas gibt es sonst nirgends in Berlin“