Verhandlungen zu UN-Lieferkettengesetz: Globale Regeln für Unternehmen

Berlin taz | Am Montag haben die Vereinten Nationen in Genf Verhandlungen um ein globales Lieferkettengesetz wieder aufgenommen, um Menschenrechtsverletzungen in der Wirtschaft zu verhindern. Nur auf den Zuschauerbänken dabei: die Europäische Union. Sie hat sich weiterhin kein Verhandlungsmandat für eine aktive Beteiligung gegeben, kann also keine Vorschläge machen. Sie kann die Texte lediglich kommentieren.

Das verbindliche UN-Abkommen soll Sorgfaltspflichten für Unternehmen und Zugang zur Justiz für Opfer schaffen. Diese Woche soll der dritte Entwurf abgeschlossen und ein Fahrplan vereinbart werden, wie das Abkommen in den nächsten Jahren zu Ende gebracht wird.

Der Prozess wurde maßgeblich von Zivilorganisationen und indigenen Gemeinschaften im Globalen Süden angestoßen. Sie sahen sich gegenüber multinationalen Unternehmen im Nachteil. „Menschenrechtsverletzungen werden im Namen von Entwicklung in Kauf genommen“, sagt Martha Inés Romero von der christlichen Menschenrechtsorganisation Pax Christi International auf einer Nebenveranstaltung im Vorfeld der Verhandlungen in Genf.

Deswegen brauche es verbindliche Regeln, die etwa dafür sorgen würden, dass die lokale Bevölkerung im Vorfeld von Entwicklungsvorhaben informiert und „ohne Zwang“ beteiligt werde. Ein verbindliches globales Abkommen könnte für alle Menschen den Zugang zur Justiz sichern, wenn Unternehmen ihre Menschenrechte verletzen. Mit dem Auftrieb von grünen Energieprojekten befürchte Romero ein Greenwashing von Infrastrukturprojekten. Im globalen Wirtschaftssystem gebe es aber einen „Kampf gegen Gemeinschaften und einen Kampf gegen die Natur“.

„Mittlerweile sind alle Voraussetzungen für ein Verhandlungsmandat gegeben“

Das UN-Abkommen, das Umweltbelange und Menschenrechte in den Operationen von Unternehmen stärken soll, wird seit zehn Jahren verhandelt. Den Vorsitz der Arbeitsgruppe übernahmen Südafrika und Ecuador. Die Europäische Union und andere Industriestaaten wie die USA oder Australien blockierten von Beginn an.

Armin Paasch vom katholischen Hilfswerk Misereor ist seit acht Jahren bei den Verhandlungen dabei. Und seit acht Jahren drängen er und andere Organisationen aus der Zivilgesellschaft darauf, dass sich die EU formell an den Verhandlungen beteiligt. Immerhin kommentiere sie in den letzten Jahren zunehmend konstruktiv die Vertragsentwürfe, sagt Paasch. Aber: „Mittlerweile sind alle Voraussetzungen für ein Verhandlungsmandat gegeben, es gibt keinen Grund mehr, es zu verweigern“, so Paasch.

Zum Beispiel das Argument, es würden sich nicht genug Staaten beteiligen, sodass ein Abkommen nicht aussichtsreich sei. Bis auf Kanada nahmen alle G7-Staaten sowie andere Schwergewichte wie China, Indien, Brasilien oder Südafrika an der letzten Verhandlungsrunde teil.

Ein anderes Argument: Die EU wolle erst die eigene Gesetzgebung vorantreiben. Das Europäische Lieferkettengesetz ist im Juli in Kraft getreten. „Es sollte im Interesse der Menschenrechte, aber auch im Interesse der Wettbewerbsgleichheit sein, nun verbindliche Pflichten zur Einhaltung von Menschenrechten für Unternehmen auf globaler Ebene zu vereinbaren“, meint Paasch.

Wichtige Vorgaben zu Umwelt- und Klimaschutz wurden gestrichen

Auch inhaltlich wurden einige Bedenken der EU aufgenommen. Zum Beispiel: Ursprünglich sollte das Abkommen nur multinationale Unternehmen zu den Regeln verpflichten. Einige afrikanische Staaten argumentierten, dass es gerade bei transnationalen Operationen eine Rechtslücke gäbe. Außerdem befürchteten sie, dass bei Regeln für alle Unternehmen, diese ihre Verantwortung auf lokale Zulieferer abwälzen würden.

Die EU wollte hingegen Regeln für alle Unternehmen. Auch weil sie fürchtete, dass Menschenrechtsverstöße von staatseigenen Unternehmen – etwa in China – sonst nicht belangt werden könnten. Das hat sich durchgesetzt.

Vergangenes Jahr hatte der ecuadorianische Vorsitzende einige „Aktualisierungen“ vorgenommen. Die EU und die USA begrüßten diese größtenteils, aber zivilgesellschaftliche Organisationen und Regierungen aus dem Globalen Süden kritisierten das Vorgehen. So seien mit den Aktualisierungen wichtige Vorgaben zu Umwelt- und Klimaschutz durch Unternehmen gestrichen worden, kritisiert Paasch.

Umwelt- und klimabezogenen Folgeabschätzungen tauchen als Bestandteil von Sorgfaltspflichten nicht mehr auf. „Auch der Bezug auf das Menschenrecht auf eine sichere, saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt wurde gestrichen“, sagt Paasch. Ebenso wurden Anforderungen zur Wiedergutmachung abgeschwächt, etwa der Zugang zu Schadensersatz als verbindliches Element der Haftung.

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