Airporthotels für Haustiere: Der Flughafen als Zufluchtsort

Köln taz | Am Ausgang von Terminal 1 geht Sabine, Lehrerin aus Köln, mit ihrer Hündin Natti (3) nochmal Gassi. Gerade haben die beiden nebenan im Moxy-Hotel eingecheckt, zum zweiten Mal schon. „170 Euro sind viel Geld, aber bei Nattis erstem Silvester haben wir zu Hause drei Stunden im Schlafzimmer auf dem Boden verbracht“, erzählt sie. „Völlig panisch“ sei das arme Tier gewesen. Und traumatisiert: „Bis zum 5. Januar konnten wir nicht rausgehen.“

Für viele Tiere ist der Jahreswechsel die Hölle. Explosionen, Lichtblitze, Raketengeheul. Wildtiere rennen verschreckt durchs Gehölz; in Tierheimen, Gestüten und Zoos werden die Tiere notdürftig schallgeschützt. Landwirte lassen ihre Trecker im Kuhstall lautstark durchdieseln, damit der gewohnte Traktorenkrach die Böller übertönt. Hunde und Katzen verkriechen sich zitternd hinter Kloschüsseln, unter Betten oder in Kellern.

Es helfen: Flughäfen. Da herrscht Böllerverbot.

Kurz nach 19 Uhr, auf zum Moxy, 200 Meter vom Terminal entfernt. Wau & Wow! Was für ein Bild: Gut zwei Dutzend Leute samt ihrer Vierbeiner warten in langer Schlange vor dem Aufzug. Viele Tiere haben die Schwänze eingezogen, die Blicke sind scheu: Man kommt aus dem Vorkriegsgebiet. Oben, im 5. Stock, am Check-in wieder lange Schlangen. Über hundert Hunde werden hier schallgeschützt die Nacht verbringen.

Alex Sälzer ist der Manager des Hotels. Im Vorjahr seien, ziemlich überraschend, „auf einmal so an die 40 Hunde da gewesen“. Anfang 2024 habe sich dann eine Hundeschule aus Köln gemeldet. Man handelte eine Kooperation aus: Übernachtung für zwei Personen (plus Hund oder Hunde), Frühstück, Tapas-Bufett, dazu diverse Doggie-Goodies, Frage-Antwort-Session zu Hundeerziehung im Meetingraum. Die 70 Zimmer für „Knallerhunde Special“ waren schon im Sommer ausgebucht. Viele andere haben hier, ohne Spezialpaket, weitere Betten und Körbchen bezogen.

Gepolsterter Kinderwagen

Die Böller-Flüchtlinge kommen von überall. Aus Münster („Unser Flughafen hat heute Nacht zu“) stammt ein Paar samt der Dackeldamen Alba und Lotte, hereingeschoben im kuschelig ausgepolsterten Kinderwagen. Aus Öhningen am Bodensee sind die Eheleute Massler angereist samt ungarischem Wollknäuelmischling Szuszi. „Wir machen halt mal Kurzurlaub im Rheinland.“

Die Leute der Hundeschule verteilen derweil Willkommenspakete: Bergkäsewurst, Dosen-Ente, Rabattgutscheine, QR-Codes für Trainingsvideos, Suppenpulver Moro gegen Durchfall („sensationelles Zeug“). Noch besser gefallen Mitarbeiterin Laureen Ley die Anfragen von gleich zwei Düsseldorfer Airporthotels, solche Übernachtungspakete 2025 auch dort anzubieten.

Zurück zum Flughafen selbst, dort ist der letzte Flug des Jahres abgefertigt. Geblieben sind: Hunde, Hunde, Hunde – auch in den Terminals. Angeleint flanieren sie durch die weiten Abflughallen, viele Dutzend, viele lange Stunden. Auf Wartebänken und Campingstühlen sitzen Rudel von HundehalterInnen die letzten Stunden des Jahres ab und tauschen Horrorgeschichten ihrer Lieblinge aus. Der Airport hatte öffentlich Tierasyl angeboten.

Geschäfte und Cafés sind zu – bis auf Podolskis Dönerladen. Am Tisch sitzt ein Mann aus Jülich samt Hundi. „Der ist schon alt und herzkrank. Die Vorjahre waren die Hölle. Hab überlegt mit dem teuren Hotel, aber die paar Stunden kriegen wir auch so rum.“ Nein, sagt der Mitarbeiter am Tresen, einen speziellen Poldi-Hundedöner gebe es nicht. Vielleicht nächstes Jahr.

Am Anfang von Terminal 1 ein Klapptisch mit allerlei Salatschüsseln drauf, Brot, Teller, rot-weiße Tote-Hosen-Becher. Drumherum ein Dutzend Leute mit acht Hunden auf Schlafdecken. Eine Hundeschule aus dem Neandertal bei Düsseldorf hat zum Silvester-Picknick geladen. „Ich habe alle Kunden angefragt“, erzählt Leiterin Yvonne Rockel, „die Flughafenverwaltung war sehr kooperativ, ein paar Telefonate, dann durften wir mit Biergarnitur und Essen anrücken.“

Zitternde Bernhardiner

Von wenig erfolgreichen Ablenkungsmanövern zu Hause berichten alle hier: Rollläden runter, laute Musik, brüllende Fernsehgeräte, Beruhigungsmittel, gemeinsames Verkriechen in Schänken und Kellern.

Welche Tiere knallpanisch sind, sagt Yvonne Rockel, sei unabhängig von Rasse oder Größe. Ja, es gebe auch zitternde Bernhardiner. Übernachten wolle sie hier nicht, sie wohnt in der Nähe. „Wenn es etwas ruhiger wird“, vielleicht schon gegen zwei Uhr, gehe es wieder heim.

Ein Stück weiter haben sich Herr und Hundi auf einer Isomatte mit Decke eingekuschelt, alle Sechse von sich gestreckt. Draußen sind die Kanonen und Raketen nur als fernes, leises Geknatter zu vernehmen.

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