Fingierte Metoo-Vorwürfe gegen Grünen: Urteil über Gelbhaar fällt aus

Berlin taz | Sie haben sich Zeit gelassen: Fast ein halbes Jahr ist es her, dass MeToo-Vorwürfe in den Wahlkampf der Grünen platzten und die Karriere des Bundestagsabgeordneten Stefan Gelbhaar beendeten. Nachdem sich die heftigsten Vorwürfe schon kurz darauf als fingiert herausgestellt hatten, setzte die Partei eine Untersuchungskommission ein. Am Donnerstag veröffentlichte der Bundesvorstand schließlich eine Kurzform des Untersuchungsberichts – und einen eigenen Beschluss, der Konsequenzen daraus benennt.

Befrieden werden die Papiere aber wohl weder die parteiinterne Debatte um den Fall Gelbhaar noch die um den allgemeinen Umgang mit Belästigungsvorwürfen. Denn erstens liefert der Bericht keine endgültige Aufklärung im konkreten Fall. Zweitens bleibt zunächst offen, welche strukturellen Konsequenzen die Grünen für die Zukunft ziehen. Die Kommission macht dazu zwar umfangreiche Anregungen. Der Vorstand will als Konsequenz daraus aber zunächst eine weitere Arbeitsgruppe einrichten, die „konkrete Umsetzungsvorschläge“ erarbeitet.

Im Dezember 2024 waren parteiintern erstmals Belästigungsvorwürfe gegen den Berliner Bundestagsabgeordneten Gelbhaar aufgekommen. Mutmaßliche Betroffene wurden an die Ombudsstelle der Bundespartei verwiesen, die vor einigen Jahren für solche Fälle eingerichtet wurde. Deren Mitglieder informierten wiederum unverzüglich Teile des Bundesvorstands. Auf Basis von nicht verifizierten Vorwürfen wurde ein Gespräch mit Gelbhaar geführt, der darauf hin seine Kandidatur für die Landesliste zur Bundestagswahl zurückzog.

Sein Pankower Kreisverband, der ihn eigentlich schon als Direktkandidat nominiert hatte, ließ ihn ebenfalls fallen. Zwischenzeitlich berichtete der RBB detailliert über einzelne, strafrechtlich relevante Vorwürfe. Sie stellten sich später als falsch heraus, Gelbhaars Bundestagskarriere war dennoch beendet.

Kommission widerspricht Nietzard

Die Kommission, die der Bundesvorstand mit der Aufarbeitung beauftragte, bestand aus nur zwei Personen: Jerzy Montag und Anne Lütkes, beide JuristInnen und ehemalige Grünen-PolitkerInnen. In ihrem Bericht schreiben sie, dass es zumindest einzelnen Personen, die hinter Meldungen an die Ombudsstelle steckten, um eine „Instrumentalisierung für parteipolitische Zwecke“ gegangen sei. Eine Aussage über „den Wahrheitsgehalt der einzelnen“ Meldungen solle damit aber nicht getroffen werden.

Eindeutiger urteilt das Duo über den internen Umgang mit den Vorwürfen. Dass die Ombudsstelle sofort und auf dünner Faktenbasis den Bundesvorstand eingeschaltet hat, nennt die Kommission „verfrüht und somit einen Fehler“.

Dahinter sieht die Kommission strukturelle Schwächen: Die Ombudsstelle der Grünen sei nicht in der Parteisatzung verankert, „legitimierte Verfahrensregelungen“ oder Regeln zur „Auswahl und Amtsdauer der Ombudspersonen“ fehlten. Es sei problematisch, dass die Ombudsstelle aus Angestellten der Parteizentrale bestehe – und somit aus Personen, die beruflich und finanziell von der Partei abhängig sind.

Unschuldsvermutung gilt auch für Ombudsverfahren

Jette Nietzard, Sprecherin der Grünen Jugend, hatte im Januar noch mit der Bemerkung für Aufsehen gesorgt, für parteiinterne Fälle gelte keine Unschuldsvermutung. Dem widerspricht die Kommission jetzt implizit: Für die Zukunft fordern sie eine „beschlusslegitimierte rechtsstaatlich normierte Verfahrensordnung“. Die Unschuldsvermutung sei dabei ein „tragendes Element“ und in Zukunft müsse sich das im Regelwerk wiederfinden.

Die neue Arbeitsgruppe, die der Bundesvorstand jetzt ankündigt, soll sich bei der Erarbeitung neuer Strukturen an den Vorschlägen der Kommission orientieren. Explizit betont der Vorstand aber auch, dass neue Regeln nicht nur der Rechtsstaatlichkeit, sondern auch feministischen Ansprüchen gerechten werden soll: „Einseitig“ wolle man Widersprüche zwischen beidem nicht auflösen.

  • informationsspiegel

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