Zum ersten deutschen „Veteranentag“: Leichte Gespräche statt schweren Geräts

Berlin taz | Alles beginnt mit einer Dosis James Brown. Eine kleine uniformierte Band spielt dessen Gute-Laune-Funk-Hit „I Got You (I Feel Good)“ und ist prompt umringt von Schaulustigen.

Die Bundeswehr präsentiert sich beim ersten Nationalen Veteranentag nahbar: Die zentrale Veranstaltung am Spreebogen im Berliner Regierungsviertel wurde im Vorfeld als „großes Familienfest“ beworben. Zu sehen sind Sol­da­t*in­nen in Ausgehuniformen oder Flecktarn, aber auch Zivilist*innen, Kinder und Senior*innen. Es gibt leichte Gespräche statt schweren Geräts, zwischen Streetfood (Empanadas, Hamburger, Berliner Eisbein) und Getränkeständen. Diese sind bei 32 Grad im Schatten gut besucht.

Das Ziel dieser Inszenierung: Distanz abbauen, Bande knüpfen zwischen Zivilgesellschaft und Truppe. „Es geht um die Wertschätzung in der Gesellschaft“, sagt Bernhard Drescher vom Bund Deutscher EinsatzVeteranen (BDV) der taz in einem Zelt im sogenannten „Veteranendorf“. Er hat mit seinem Verein 15 Jahre lang für die Einführung dieses Tages gekämpft. Der Veteranentag könne „eine tiefere Verbindung zwischen Mensch, Gesellschaft und dem System Bundeswehr“ ermöglichen, glaubt Drescher.

2024 hatte der Bundestag mit den Stimmen von SPD, den Grünen, der FDP und der Union die Einführung des Veteranentages beschlossen. Es gehe, sagte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), „um die Anerkennung derjenigen, die in letzter Konsequenz bereit sind, das Äußerste für andere zu geben, und die ihr Leib und Leben für unser Land einsetzen“.

Sein Ministerium gibt die Zahl der Ve­te­ra­n*in­nen mit zehn Millionen Menschen an. Anders als in vielen anderen Ländern gilt in Deutschland seit 2018 ein weiter Veteran*innenbegriff, vom Einsatzveteran über die aktive Soldatin bis hin zu ehemaligen Grundwehrdienstleistenden sollen möglichst alle angesprochen werden.

Doch die Skepsis ist groß, der erste Veteranentag mit seinen bundesweit rund 130 Veranstaltungen ist umstritten – im linken Spektrum gibt es vehemente Ablehnung. In 13 Städten kaperten Ak­ti­vis­t*in­nen Werbevitrinen und überklebten Bundeswehr-Botschaften mit Kritik – sogenanntes Adbusting.

Am Rande der Veranstaltung in Berlin formierten sich Bündnisse linker und antifaschistischer Gruppen zu Gegendemonstrationen. „Wir feiern eure Kriege nicht!“, lautete ein Motto. Am Bahnhof Friedrichstraße prangt an einem Laster ein Banner: „Deutsche Waffen, deutsches Geld, morden mit in aller Welt“.

Kri­ti­ke­r*in­nen werten den Veteranentag vor dem Hintergrund der Debatten um Wehrpflicht und „Kriegstüchtigkeit“ als einen weiteren Aspekt zunehmender gesellschaftlicher Militarisierung. Desiree Becker, die für die Linksfraktion im Verteidigungsausschuss des Bundestages sitzt, kritisiert, dass der Veteranentag vor allem Werbung für die Bundeswehr selbst sei. Der Umgang mit denjenigen, die in den Einsatz geschickt wurden und verletzt heimgekehrt seien, würde dagegen nicht im Mittelpunkt stehen.

Konkrete Formen der Anerkennung als Ziel

Auch Spre­che­r*in­nen des Gegendemo-Bündnisses sehen eine „Verherrlichung der Bundeswehr“. Die familiengerechte Selbstdarstellung verstelle den Blick auf Kritikwürdiges, erklärten sie. Um die Bedürfnisse von Ve­te­ra­n*in­nen ginge es nur vordergründig.

Tatsächlich wünschen sich auch Ve­te­ra­n*in­nen­ver­bän­de konkretere Formen der Anerkennung. Der BDV etwa fordert eine beschleunigte Akzeptanz von seelischen Erkrankungen wie Posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS). Oft brechen Krankheiten viele Jahre später aus, Betroffene warten teils jahrelang auf die Bewilligung von Anträgen, so Drescher. Sein Verein betreut mit 156 ehrenamtlichen Mitarbeitenden knapp 500 betroffene Familien.

Drescher will, dass der Veteranentag nicht bei bloßer Gute-Laune-Symbolik bleibt. Mit den Kri­ti­ke­r*in­nen ist er sich in diesem Punkt sogar einig. So sagt auch Linken-Politikerin Becker, solange Ve­te­ra­n*in­nen nicht adäquat versorgt würden, sei „der Veteranentag nichts anderes als ein Marketingcoup auf dem Rücken der Truppe“.

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