Familiennachzug ausgesetzt: „Grausame Symbolpolitik“

Berlin taz | Der Familiennachzug für Menschen mit subsidiärem Schutzstatus wird in Deutschland für zwei Jahre ausgesetzt. Das wurde am Freitag bei einer Abstimmung im Bundestag entschieden. 444 Parlamentarier stimmten dafür, 135 dagegen. Sogenannte subsidiär Schutzberechtigte sind Menschen, die hier weder im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention noch als Asylberechtigte anerkannt wurden, die aber aus anderen Gründen bleiben dürfen – etwa, wenn ihnen im Heimatland unmenschliche Behandlung droht.

Bisher galt für sie beim Familiennachzug ein Kontingent: Pro Monat wurden 1.000 Visas für direkte Familienmitglieder ausgestellt – also für Eltern, Kinder oder Ehepartner. Für zwei Jahre wird das nun nur noch bei Härtefällen möglich sein.

Außerdem wird nun der Begriff „Begrenzung“ von Migration als Ziel im Aufenthaltsgesetz wieder eingeführt. Das Gesetz tritt bereits am Samstag in Kraft. Alle anwesenden Mitglieder der Fraktionen von Union und AfD stimmten für die Gesetzesänderung. Die SPD tat das mehrheitlich auch. Nur Grüne und Linke stimmten geschlossen dagegen. Die Union hat sich damit in der Koalition erneut mit einer härteren Migrationspolitik durchgesetzt.

Emotionale Debatte

Der Abstimmung vorangegangen war eine streckenweise emotional geführte Debatte. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU), von dem der Gesetzentwurf stammte, zeigte sich zufrieden: „Wir setzen damit die migrationspolitische Überschrift für diese Legislaturperiode: Humanität und Ordnung.“

Deutschland sei und bleibe ein weltoffenes Land, sagte er. Dobrindt verspricht sich von dem Gesetz eine Entlastung der deutschen Integrationssysteme. Die Belastbarkeit der Sozialsysteme, des Bildungs- und Betreuungssystems und des Wohnungsmarktes kenne eine Grenze, argumentierte er. Deshalb müsse auch der „Zuzug“ nach Deutschland eine Grenze kennen.

Sein Fraktionskollege Alexander Throm nannte es ein „gutes und ausgewogenes Gesetz.“ Damit würde ein erheblicher „Pull-Faktor“ für Migration beseitigt. Nach dem Ablauf der zwei Jahre müsse geprüft werden, ob eine weitere Aussetzung möglich und nötig wäre. Auf Nachfrage der Linken konnte er allerdings keine konkreten Kriterien für diese Entscheidung nennen.

SPD stimmt mit – außer zwei Abgeordnete

Die SPD tat sich sichtlich schwerer mit der Zustimmung. Natalie Pawlik (SPD), die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration sprach von einem Kompromiss, den ihre Fraktion mittragen werde. Sie verwies darauf, dass diese Maßnahme zeitlich begrenzt sei und es Ausnahmen für Härtefälle gäbe.

Am Ende stimmten alle anwesenden Abgeordneten der SPD dafür, mit Ausnahme von Hakan Demir und Maja Wallstein. Wallstein bezeichnete das Gesetz als „grausame Symbolpolitik“. „Hakan Demir und ich wollten damit klar machen, wo wir und der Rest der Fraktion stehen“, sagte sie der taz. Sie sei den anderen dankbar, dass diese über ihren Schatten gesprungen seien, „um die Koalition zu retten.“ Nur so könne die SPD Verantwortung übernehmen und andere Dinge vorantreiben. „Das Ganze zeigt, wie anstrengend Demokratie ist und wie weh es manchmal tut.“

Grüne und Linke kritisieren das Gesetz scharf

Marcel Emmerich von den Grünen nannte das Gesetz einen „Angriff auf das Herzstück jeder Gesellschaft, auf einen ganz zentralen Wert: Die Familie“. Es bedeute Leid, „ganz konkret, ganz real.“ Wer Integration wolle, müsse Familien zusammenführen. Nur wer seine Liebsten bei sich habe, könne sich „auf Ausbildung, Sprache und das gesellschaftliche Leben konzentrieren.“

Clara Bünger von den Linken sprach ebenfalls von „grausamer Symbolpolitik auf dem Rücken der Schwächsten.“ Der Familiennachzug sei heute eine der letzten legalen Möglichkeiten, überhaupt in Deutschland Schutz zu finden. Wer diesen Weg versperre, zwinge „Familien auf Fluchtrouten, die tödlicher und gefährlicher denn je sind.“

Bünger kritisierte, dass das Gesetz keine Stichtagsregelung für Menschen vorsieht, die schon seit Jahren einen Antrag gestellt haben und mahnte, dass die Härtefallregelung in der Praxis fast niemandem helfen werde. Bünger wies zudem Dobrindts Argument der überforderten Kommunen zurück. In Deutschland gebe es rund 11.000 Kommunen. Bei dem bisherigen Kontingent von 12.000 Familiennachzügen pro Jahr, seien das durchschnittlich ein Mensch mehr pro Kommune.

Die AfD schien sich in ihrer eigenen Politik bestärkt zu sehen. AfD-Politiker Bernd Baumann sagte in Richtung der Union: „Geben Sie endlich zu, dass Sie unsere Punkte übernommen haben!“

Rolle rückwärts bei schnellen Einbürgerungen

Am Freitagvormittag wurde im Parlament außerdem in erster Lesung über eine Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts beraten. Diese sieht vor, die Möglichkeit einer Einbürgerung nach bereits drei Jahren für Menschen mit besonderer Integrationsleistung wieder zu streichen. Das war von der Ampelregierung als Anreiz für bessere Integration eingeführt worden. Nun sollen, neben anderen Kriterien, fünf Jahre Aufenthalt in Deutschland wieder eine feste Voraussetzung für eine Einbürgerung werden.

In einem Antrag forderte die Linke, Einbürgerungen unabhängig vom Einkommen der betreffenden Personen zu ermöglichen.

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