Die Spuren des IS in den Straßen der Hauptstadt“ – das war der letzte Bericht, den ich aus Afghanistan schrieb. An einem Nachmittag im Frühsommer 2015 war mein Blick auf der Außenmauer der Universität Kabul haften geblieben: In schwarzer Farbe hatte dort jemand an die Wand geschmiert: „Es lebe der IS“. Wie konnte ein solcher Slogan an der Wand einer Universität in Kabul stehen?
Damals machten in Afghanistan erste Berichte über die Präsenz des IS die Runde. Ich begann zu recherchieren, führte Interviews und sammelte Informationen. Nie hätte ich dabei gedacht, dass dies mein letzter Beitrag aus Afghanistan sein würde – doch genau so kam es.
Ich war damals 24 Jahre alt, hatte Journalismus an der Universität Balkh studiert. Drei Jahre hatte ich als Reporterin und Redakteurin in Kabul gearbeitet, unter anderem für die Wochenzeitung „Howaida“. Kurz nach der Veröffentlichung des IS-Berichts und angesichts massiver Drohungen blieb mir keine andere Wahl, als mein Heimatland zu verlassen.
In Deutschland war meine berufliche Laufbahn abrupt unterbrochen. Von einer Journalistin mit direktem Zugang zu Quellen wurde ich zu einer Migrantin, der Sprache, Kultur und Medienlandschaft des neuen Landes unbekannt waren – eine Erfahrung, die viele Kolleg: innen im Exil teilen.

Illustration: Bassel Zoughib
In der Kolumne ankommen schreiben monatlich Journalist:innen, die 2015 nach Deutschland geflüchtet sind, zum 10. Jahrestag des „Summer of Migration“. Begleitend zu den Kolumnen gibt es außerdem die Podcastreihe „Geschafft?! Zehn Jahre nach der Ankunft“ zu hören, die im Rahmen der Freie Rede Podcasts der taz Panter Stiftung erscheint.
=”” div=””>
Erstmal Deutsch lernen
In den ersten Jahren nach der Flucht lag mein Fokus nicht auf der Fortsetzung der journalistischen Arbeit, sondern auf dem Aufbau eines stabilen Lebens. Als Geflüchtete musste ich zunächst den Anerkennungsprozess durchlaufen, mich in das deutsche System integrieren. Für afghanische Geflüchtete ist dies deutlich schwieriger als für andere Gruppen.
Syrische Geflüchtete besuchten relativ schnell Sprach- und Integrationskurse, über ihre Aufenthaltserlaubnisse wurde zügig entschieden. Viele Afghan:innen hingegen verbrachten lange Monate in Erstaufnahme-Einrichtungen mit hoher Belegung, mangelnder Ausstattung und großer Unsicherheit. Erst nach einer positiven Asyl-Entscheidung war die Teilnahme an Sprachkursen möglich.
=”” div=””>
Mich erkannte das Bundesamt bald als schutzberechtigt an. Doch der Zugang zu Sprachkursen und Integrationsmaßnahmen zog sich hin. Während ich Deutsch lernte und versuchte, mich auf den Arbeitsmarkt vorzubereiten, empfahlen mir die Berater:innen der Jobcenter immer wieder Berufe mit vermeintlicher Sicherheit, wie etwa die Kranken- und Altenpflege.
Diese Ratschläge standen im Widerspruch zu meiner Qualifikation und Erfahrung: Ich hatte mein Studium mit Bestnoten abgeschlossen und über drei Jahre professionelle Medienarbeit in Afghanistan vorzuweisen. Trotz aller Schwierigkeiten liebte ich meinen Beruf, und ein Abbruch bedeutete für mich den Verzicht auf den Lohn all dieser Mühen und letztlich den Grund meiner Flucht.
Vom Journalismus nicht abbringen lassen
Trotz des Drucks ließ ich meine Abschlüsse anerkennen und bestand bei allen Gesprächen darauf, ausschließlich im journalistischen Bereich arbeiten zu wollen. Schließlich wurde ich von einer Beraterin an das neunmonatige Programm der Hamburg Media School für geflüchtete Journalist:innen vermittelt. Dieser Kurs umfasste neben der Weiterbildung im digitalen Journalismus auch ein Praktikum bei deutschen Medien.
So konnte ich mein Netzwerk erweitern und Kontakte knüpfen. 2018 lernte ich über die Körber-Stiftung das Projekt Amal kennen – ein Medium, das geflüchtete Journalist:innen beschäftigt. Kurz nach meinem Abschluss eröffnete Amal eine Redaktion in Hamburg. Im April 2019 fing ich dort als Praktikantin an, wurde feste Mitarbeiterin, bis heute.
Der berufliche Wiedereinstieg für geflüchtete Journalist:innen hängt nicht nur von individuellen Fähigkeiten ab, sondern auch von der Integrationspolitik, Zugang zu Weiterbildung und der Haltung der Medienbranche. Lange Asylverfahren, Verzögerungen beim Spracherwerb und fehlende Programme zur Nutzung der Kompetenzen von Geflüchteten stellen große Hürden dar.
In den vergangenen zehn Jahren habe ich gelernt, dass Ausdauer und Engagement vieles überwinden können, aber nicht alles. Gesellschaft und Medienhäuser müssen das Potenzial geflüchteter Journalist:innen erkennen und sich für neue Perspektiven im Journalismus öffnen.
Ein Projekt der taz Panter Stiftung.








