
D iese Woche haben zwei ehemalige Ampel-MinisterInnen ihre Nachfolgejobs geklärt: Anne Spiegel von den Grünen und Christian Lindner von der FDP. Die ehemalige Bundesfamilienministerin, die wegen ihrer früheren Rolle als Landesministerin bei der Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz zurücktreten musste, wird Sozialdezernentin der Region Hannover mit über einer Million Einwohnern. Christian Lindner geht als Vizechef zum Kfz-Händler „Autoland“, eine Firma, die wohl alle, die nicht zufällig gerade auf der Suche nach einem Gebrauchtwagen sind, erst mal googeln mussten.
Bei Anne Spiegel, die keinerlei Erfahrung mit Hannover hat, handelt es sich um einen typischen Fall von Versorgungsposten: Wenn man scheitert, ist das politische Netzwerk behilflich, in ihrem Fall der Noch-Regionspräsident Steffen Krach, der im nächsten Jahr bei den Stadtwahlen ausgerechnet die Berliner SPD retten soll, bislang aber eher als Strippenzieher aufgefallen ist und mit der Personalie wohl die rot-grüne Achse stabilisieren will.
Wenn bei einer Führungsperson in ihrem Verantwortungsbereich ein Unglück mit vielen Toten passiert, diese sich aber entscheidet, in Urlaub zu fahren, dürfte sie danach erst mal kleinere Brötchen backen, Stichwort Demut. Nicht so bei Anne Spiegel.
Ein Fall von Versorgung ist auch Ex-Bauministerin Klara Geywitz: Nachdem sie über mehrere Monate ohne Aufgabe war, hatte ihr SPD-Netzwerk wohl Erbarmen mit ihr; jetzt soll sie Vizepräsidentin des Bundesrechnungshofes werden.
Bei Anne Spiegel geht es um einen typischen Fall von Versorgungsposten
Erstaunlich ist die Häme, die nun ausgerechnet Lindner trifft, dabei ist sein Jobwechsel erfrischend klar: Er macht jetzt das, worauf er immer Lust hatte – Auto. Sympathisch ist, dass ihm als ehemaligem Bundesfinanzminister und Parteichef Statusverlust – oh Gott, Gebrauchtwagen! – offenbar egal ist. Davon könnten sich SPD und Grüne eine Scheibe abschneiden, denn gerade unter Linken sollte Status nie Selbstzweck sein.
Hinter der Häme mit der unvermeidlichen Spitze „Gebrauchtwagenhändler“ verbirgt sich ein ärgerlicher Dünkel von akademischen Linken, die auf dieses seltsame Ding namens Privatwirtschaft wie ein seltsames Zootier blicken. Dabei sind die allermeisten Menschen in ebenjener Privatwirtschaft beschäftigt und nicht in NGOs, Fraktionen oder Stiftungen. Gebrauchtwagenhändler machen übrigens etwas sehr Vernünftiges, eigentlich Sozialdemokratisches: Sie ermöglichen angesichts immer teurerer Neuwagen Gering- und MittelverdienerInnen Mobilität abseits von urbanen U-Bahn-Netzen (ja, es gibt inzwischen auch elektrische Gebrauchte).
Bemerkenswert ist, dass ausgerechnet linken Ex-MinisterInnen mit viel angespartem Geld im Rücken die Fantasie fehlt, dass nun der Moment wäre, etwas völlig anderes jenseits der Droge Macht zu machen: zum Beispiel ein Praktikum in einer Seehundstation absolvieren, prekär Beschäftigten beim Organizing helfen oder meinetwegen mit dem Motorrad die Welt erkunden. Das ist in der Tat eine deprimierende Erkenntnis.







