
D ie letzten Männer in meinem Leben tragen Adidas-Tracksuits und rauchen mit mir zusammen eine Kippe auf einem Stromkasten. Hier verbringen wir die meisten Abende und reden nächtelang durch. Aber der Winter macht alle müde, und es ist das erste Mal in diesem Jahr, dass auch sie früh schlafen möchten, deshalb bleibt es bei einem kurzen Treffen. Wir umarmen uns, dann stülpe ich mir die Kopfhörer über und suche einen Track, der jeden Sound der Außenwelt – Straßenbahnen, die Schritte anderer Menschen – wegballern kann. Das bedeutet: Haftbefehl, 069. Ich bin traurig, der Abend hat gerade erst angefangen, und ich muss den Rest meiner Zeit allein verbringen.
Ich kann mich nicht an den letzten Abend erinnern, an dem ich mal Zeit für mich hatte. Ständig bin ich unter Leuten, auch wenn wir nur nebeneinander im Bett lesen. Deshalb meinte ein Freund von mir neulich: Jona, ich sag dir ehrlich, Leute, die nicht allein sein können, hassen es, sich selbst denken zu hören. Ich verstehe schon, wenn er denkt, ich habe da ein Problem, aber ich bin mir ziemlich sicher, mich denken zu hören ist keins. Ich höre mich gern denken, ich schreibe sie auf und veröffentliche diese Gedanken dann auch noch. Aber gut. Dieser Freitagabend gehört wohl mir. Oder? Ich denke, vielleicht hat ja trotzdem irgendwer Zeit und scrolle durch meine Kontakte auf meinem Handy.
Ich: Lust auf Le Späti?
Freund*in: Ich glaub’, ich brauch mal einen Abend für mich.
Das sprengt meine Vorstellung.
Aus meiner Verzweiflung heraus google ich: Wie allein Zeit verbringen? Alles, was mir vorgeschlagen wird, mach ich ohnehin gerne: basteln, lesen, Tagebuch schreiben. Es mangelt mir ja nicht an den Ideen, Dinge für mich zu machen, eher daran, dass all diese Dinge mit jemanden einfach doppelt so viel Freude bringen.
Kein Skill, den ich lernen möchte
Außerdem will ich auch gar nicht lernen, dieses negative Gefühl, das ich mit Alleinsein verbinde, zu akzeptieren. In Zeiten, in denen fast 36 Prozent der Menschen unter 30 sich einsam fühlen, ist Alleinsein kein Skill, den ich lernen möchte. Ich halte genauso wenig von Tipps dazu, wie man mit wenig Geld klarkommt. Die Tipps dienen eher dazu, dass wir unsere Situationen einfach hinnehmen, statt etwas an dem Zustand (wenig Geld zu haben, Einsamkeit) zu ändern.
Als ich 2022 das allererste Mal allein in den Urlaub gefahren bin, war ich zwar in einer bildhübschen Stadt in den Niederlanden, aber das Efeu an Hausfassaden oder die Brücken konnte ich trotzdem kaum genießen. Die meiste Zeit hing ich am Handy. Ich schrieb in Gruppen: Bébés, ich vermiss euch. Will wer telefonieren?, und fotografierte Läden, Museen, meine gekauften Zimtschnecken. Nonchalant wie ich bin, schrieb ich meinen Freund*innen:
Ich: Was ist so toll am allein reisen?
Freund*in: Du kannst alles machen, was du willst.
Wenn ich mir aber eine Liste schreibe, mit all den Dingen, die ich machen möchte, stelle ich immer wieder fest, dass mein größtes Bedürfnis ist, unter Leuten zu sein. All meine Gedanken, meine Basteleien, meine Interessen sind nichts wert, wenn ich sie nicht mit anderen teilen kann.
Aber das alles hilft mir auch nichts. Meine Freund*innen haben keine Zeit. Also muss es reichen, meine Gedanken so aufzuschreiben, dass ich sie später mit vielen Leuten teilen kann. Und Haftbefehl dabei zu hören.
Freund*in: Ok, vielleicht kann ich doch.







