
Ganz schön froh waren sie beim FC Bayern am Mittwochabend nach einem intensiven Pokalfight beim 1. FC Union Berlin. Nach dem 3:2-Erfolg im Stadion an der Alten Försterei stehen die Münchner endlich wieder einmal unter den letzten Acht im Wettbewerb um den DFB-Pokal. 2020 haben sie zum letzten Mal den Pokal gewonnen.
Seitdem waren sie nur einmal bis ins Viertelfinale vorgestoßen. Sonst war schon im Achtelfinale Schluss. Einmal im Jahr, kurz vor Weihnachten, durfte lauthals über das Aus der Bayern gelacht werden. Diese schöne Tradition hat nun ein Ende gefunden. Bayern München hat sich eine Runde weitergeackert.
Es war eine Schinderei auf hundsmiserablen Geläuf. Es war ein Pokal-Fight, bei dem keine Hose sauber geblieben ist. Es war ein Spiel, nach dem vor allem die Verlierer gelobt wurden. Die nahmen die Huldigungen für ihren engagierten und mutigen Auftritt brav entgegen und schlichen doch recht ratlos in die Kabine.
Ihnen war vor allem in der zweiten Hälfte gelungen, mit einem irrwitzig aggressiven Auftritt den Bayern jede Spielkultur auszutreiben. Irgendwann konnte einem ein notorischer Schönspieler wie Michael Olise beinahe schon leidtun. So wenig ist dem Franzosen wahrscheinlich schon lange nicht mehr gelungen. Am Ende feierten die Gästefans gar Befreiungsschläge der Bayern. Sachen gibt’s.
Harry Kane, der wieder mal ein Tor erzielt hat, das 2:0, hat hinterher behauptet, dieser „typische Pokalfight“ habe ihm gefallen. Er hat eine neue Seite an seiner Mannschaft entdeckt. Man habe gewusst, wie man Mannschaften spielerisch dominieren könne, jetzt habe man „Charakter“ gezeigt. Die Münchner können also spielen und kämpfen. Keine gute Nachricht für die Fußballkonkurrenz in Deutschland. Also gleich die Meisterschale und den Pokal nach München schicken? Bloß nicht! Die Berliner haben ja gezeigt, wie es gehen könnte. Union Berlin, die Mannschaft, die am vergangenen Bundesliga-Spieltag gegen den bis dahin Tabellenletzten Heidenheim im eigenen Stadion mit 1:2 verloren hat. Verrückt!
Auftritt VAR
Ja, es war ein verrücktes Spiel. Die drei Bayerntore fielen nach ruhenden Bällen, zwei Ecken und einer Freistoßflanke. Zwei davon beförderten Unioner ins eigene Tor. Erst als Union ganz weit aufgerückt war, gelangen den Bayern zwei gefährliche Abschlüsse aus dem Spiel heraus. Am Ende hatte Union 18 Mal aufs Tor geschossen, Bayern brachte es auf magere sechs Abschlüsse. Eine Statistik zum Staunen. Eine Passquote von 73 Prozent ist ein für den FC Bayern beinahe schon unwürdiger Wert.
Aber da war noch mehr. Auch die Videoschiedsrichterei hatte einen bemerkenswerten Auftritt an diesem Abend. 2:0 stand es für Bayern, als Harry Kane einen Ball ins Tor lupfte. Der Linienrichter hob die Fahne. Abseits. Wütende Bayernspieler versuchten auf Schiedsrichter Martin Petersen einzuwirken. Da zeigte der plötzlich die Bildschirmgeste und machte sich auf den Weg zum Schiedsrichterbildschirm vor der Gegengerade.
Als die Fans gerade anfangen wollten, Hassgesänge auf den Videobeweis anzustimmen, weil sie befürchteten, dass die Abseitsentscheidung zurückgenommen wird, zeigte Petersen auf den Elfmeterpunkt: Strafstoß für Union. Ach ja. Mehrere Minuten zuvor war Bayerns Abwehrrecken Jonathan Tah der Ball an den Arm gesprungen.
Am Ende waren alle angestrengt nach diesem aufregenden Spiel – die Fans fast ebenso wie die Spieler
Leopold Querfeld verwandelte. Und weil der 21 Jahre junge Österreicher auch den Strafstoß nach einem Foul von Harry Kane verwandelte, konnte Union das Spiel zu jenem Kampf machen, über den nachher alle so geschwärmt haben. Querfeld hat dann sogar noch ganz knapp am Ausgleich vorbeigeköpfelt. „Es ist extrem bitter“, sagte er hinterher. Was sollte er auch sonst sagen?
Am Ende waren alle angestrengt nach diesem aufregenden Spiel. Die Fans fast ebenso wie die Spieler. Dabei war deren Spielzeit zwölf Minuten kürzer als die der Fußballer. An den vereinbarten Stimmungsboykott hielten sich beide Kurven. Er gehört zum Protest gegen die befürchteten Überwachungs- und Bestrafungsmaßnahmen, über welche die Inneministerkonferenz gerade verhandelt. Ganz so schlimm wie befürchtet werden die wohl nicht ausfallen.
Für Stadionsprecher Christian Arbeit ist das ein Verdienst der Fans. Er griff zu einem Ernst-Thälmann-Zitat, um sich bei den Anhängern dafür zu bedanken: „Einen Finger kann man brechen. Fünf Finger sind eine Faust!“, sagte er über die Stadionanlage. Auch jener Satz des KPD-Vorsitzenden, der 1944 im KZ Buchenwald umgebracht worden ist, gehört nun zu diesem bemerkenswerten Abend im Südosten Berlins.






