Meduza-Auswahl 27.November – 3.Dezember: Was bedeutet es heute, Russin oder Russe zu sein?

Das russisch– und englischsprachige Portal Meduza zählt zu den wichtigsten unabhängigen russischen Medien. Im Januar 2023 wurde Meduza in Russland komplett verboten. Doch Meduza erhebt weiterhin seine Stimme gegen den Krieg – aus dem Exil. Die taz präsentiert seit 1. März 2023 unter taz.de/meduza immer mittwochs in einer wöchentlichen Auswahl, worüber Meduza aktuell berichtet. Das Projekt wird von der taz Panter Stiftung gefördert.

In der Zeit vom 27. November bis 3. Dezember 2025 berichtete Meduza unter anderem über folgende Themen:

Russlands neue „nationale Politikstrategie“

Der russische Präsident Wladimir Putin hat ein Dekret unterzeichnet, in dem die neue „nationale Politikstrategie“ Russlands bis 2036 festgelegt ist. Meduza berichtet auf Englisch. Das Dokument beschreibt den aktuellen Stand der interethnischen Beziehungen in Russland als „stabil“. Es besagt, dass für 92 Prozent der Russen ihr Hauptidentitätsgefühl eine „gemeinsame russische staatsbürgerliche Identität“ ist – und nicht beispielsweise eine religiöse oder ethnische Identität. Mehr als 75 Prozent der Befragten sind Berichten zufolge mit dem Stand der interethnischen Beziehungen im Land zufrieden.

Dem Dekret zufolge hat Russland seit 2012 – als die vorherige nationale Politikstrategie in Kraft trat – „bedeutende institutionelle und strukturelle Veränderungen“ durchlaufen, die zur Stärkung der Einheit der russischen Nation beigetragen haben.

Der Kreml argumentiert jedoch, dass das Land nun vor neuen Herausforderungen steht. Diese könnten, „wenn sie nicht angemessen angegangen werden“, die nationale Sicherheit gefährden. Zu den vermeintlichen Risiken zählen: Bemühungen „unfreundlicher Staaten“, die interethnischen Beziehungen zu destabilisieren und Spaltungen in der russischen Gesellschaft zu säen. Versuche, die Ideologien des Terrorismus, Extremismus, Neonazismus und „russophobe Ansichten“ zu verbreiten. Sowie die Verbreitung „antirussischer Propaganda“ in den sogenannten „Volksrepubliken“ Donezk und Luhansk sowie in den ukrainischen Regionen Cherson und Saporischschja, die Russland annektiert hat.

Angriffe auf Aktivisten via Telegram

Im Jahr 2025 wurden die Telegram-Kanäle mehrerer russischer LGBTQ+-Organisationen Opfer von koordinierten Cyberangriffen. Zehntausende Bots wurden offenbar als künstliche Follower eingesetzt – wohl in der Absicht, diese Gruppen sperren zu lassen. Meduza berichtet auf Englisch.

Die Sexualpädagogin und LGBTQ+-Aktivistin Sasha Kazantseva erlebte die Bot-Invasion auf ihrem eigenen Kanal „Washed Hands“. Sie erhielt auch Drohungen. Und einmal kam ein Fremder zu ihrem Haus in Vilnius und behauptete, er sei gekommen, um Grüße von „The Healer“ zu überbringen. Der Mann bezog sich auf einen privaten Telegram-Kanal namens „Healer’s Empire“, dessen Mitglieder „die vollständige Vernichtung von LGBTQ-Personen im Internet und im realen Leben“ als ihr Ziel ausgeben. Im November 2025 hatte „Healer’s Empire“ etwa 1.800 Abonnenten.

Wieviele Menschen in Russland haben HIV?

In Russland gibt es zwei Behörden, die die Zahl der HIV-Infizierten im Land ermitteln. Nach Angaben der Verbraucherschutzbehörde Rospotrebnadzor waren es Ende 2024 1,2 Millionen Menschen. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums waren es allerdings 863.000 Menschen – das ist fast ein Drittel weniger. Und es gibt noch eine dritte Zahl: Rosstat – das Daten von Organisationen erhält, die dem Gesundheitsministerium unterstehen – spricht von 928.000 Menschen. Meduza berichtet auf Russisch.Wie viele Menschen in Russland an HIV gestorben sind, ist derzeit nicht bekannt: Seit 2025 werden diese Daten, wie die meisten demografischen Indikatoren, nicht mehr veröffentlicht. Offiziellen Angaben zufolge wird HIV in Russland hauptsächlich durch heterosexuelle Kontakte übertragen. In Russland werden Menschen aus gefährdeten Gruppen seltener getestet, beispielsweise Männer, die Sex mit Männern haben, Sexarbeiterinnen und intravenös Drogenkonsumierende. Sie machen nur 2 Proznet der getesteten Personen aus.

Sanktionen für Sanktionsumgehende

Immer mehr europäische Länder führen Sanktionen für Verstöße gegen antirussische Sanktionen ein. Damit setzen sie die Richtlinie 2024/1226 um, die bereits im Frühjahr 2024 auf EU-Ebene verabschiedet wurde. Dieses Dokument soll eine einheitliche und wirksame Einhaltung der EU-Sanktionen gewährleisten. Insbesondere soll festgelegt werden, welche Handlungen im Zusammenhang mit der Umgehung von Beschränkungen strafbar sind und welche Strafen für Verstöße drohen. Meduza berichtet auf Russisch.Die Kriterien für die Umgehung von Sanktionen sind recht weit gefasst: Etwa die Bewegung von Geld auf ein Konto oder die Aufbewahrung von Ersparnissen einer sanktionierten Bank kann als Bereitstellung von Mitteln interpretiert werden. Und die Zusammenarbeit mit einem sanktionierten russischen Unternehmen kann als Bereitstellung wirtschaftlicher Ressourcen für diese Unternehmen interpretiert werden. Außerdem kann die Verschleierung solcher nformationen gegenüber den zuständigen Behörden des Landes grundsätzlich als Umgehung der Sanktionen betrachtet werden.

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