Fifa-Friedenspreis für Donald Trump: Infantino zieht von Katar zum Kotau

C uraçao wird erster deutscher Gruppengegner bei der kommenden Fußball-Weltmeisterschaft, und US-Präsident Donald Trump erhält den eigens für ihn vor einem Monat erfundenen Fifa-Friedenspreis. Liebhaber der Groteske dürfen sich über die Gegenwart wahrlich nicht beschweren. Wer hätte sich das vor wenigen Jahren noch vorstellen können?

Und obwohl alle Indizien vor der Auslosung im Kennedy Center darauf hindeuteten, dass Fifa-Präsident Gianni Infantino die weltweite Aufmerksamkeit dafür nutzen würde, um aus Trump einen Friedensapostel zu machen, hatten sich viele noch Restzweifel erlaubt. Kann der Fifa-Präsident so schamlos sein? Er kann.

Der Fifa-Abend in Washington bot reichlich Irrwitziges. Wie Infantino mit den Entertainer-Qualitäten eines Dorffestunterhalters das gediegene Publikum zur grölenden Stadionatmosphäre animieren wollte, damit sie im Chor jeweils USA, Kanada und Mexiko skandierten, war schon schräg. Die von Robbie Williams und Nicole Scherzinger gesungene noch recht junge Fifa-Hymne „Desire“ („Würde für die Schwachen in den Armen der Tapferen …“) war es sowieso. Skurril ist sicherlich auch, dass der neue klobige Fifa-Friedenspreis, der im Weißen Haus gewiss einen Ehrenplatz erhalten wird, wie ein Handballpokal aussieht.

Besonders bizarr wirkte die Szene, als Infantino den Repräsentanten der Co-Gastgeber, der mexikanischen Präsidentin Claudia Sheinbaum und dem kanadischen Premier Mark Carney, Statistenplätze auf der Bühne zuwies, um dann Trump zu sagen, er könne tun, was er wolle. Hatte Infantino noch vor der umstrittenen WM in Katar seinen Wohnsitz nach Doha verlegt, wird sein derzeitiges Zuhause zu Recht im Allerwertesten des US-Präsidenten verortet.

Friedenshilfe von der Fifa

Gewiss wird sich Infantino ärgern, dass der spätere Hinweis von Trump, er habe als US-Präsident auch Kriege beendet, die noch gar nicht ausgebrochen gewesen seien, nicht schon in seiner Laudatio auf den Fifa-Friedenspreisträger aufgetaucht war. Beendet hatte er diese mit einem Angebot: „Herr Präsident, sie können immer mit meiner Unterstützung rechnen, mit der Unterstützung der ganzen Fußballwelt, wenn sie Frieden auf die Welt bringen wollen.“ Sitzt Infantino bald mit am Verhandlungstisch, wenn über das Schicksal der Ukraine entschieden wird?

Man kann sich leicht in dieser Fifa-Groteske verlieren. Mit der Beschreibung des Absonderlichen ist es aber nicht getan. Gianni Infantino ist kein schräger Vogel, der aus dem Rahmen fällt. Er wird vom globalen Fußballsystem getragen. Als der Fifa-Präsident vor wenigen Wochen den neuen Friedenspreis vorstellte, ohne zu sagen, wer nach welchen Kriterien über die erste Vergabe bestimmen wird, hat das keinen vernehmbaren Protest ausgelöst, auch nicht beim größten nationalen Verband, dem Deutschen Fußball-Bund. Dass künftig Zaw Zaw, der Fußballpräsident von Myanmar, dem noch nicht zusammengekommenen Gremium vorstehen soll, das über die Vergabe des Friedenspreises entscheiden soll, hat ebenso wenig vernehmbaren Unmut ausgelöst. Der 59-jährige Unternehmer stand wegen seiner Nähe zur Militärjunta in Myanmar lange Zeit auf der Sanktionsliste der USA und der EU.

Und vermutlich gab es für den Friedenspreisträger Trump in Washington auch Applaus aus der Ecke mit der DFB-Delegation. „Im Namen von Milliarden Fußballfans“ hat Infantino am Freitag Donald Trump gewürdigt und erntet dafür bislang keinen offenen Widerspruch, obwohl sich der Weltverband in seinen Statuten der politischen Neutralität verpflichtet hat. Mit der gleichen Unterwürfigkeit, mit der Infantino Trump begegnet, begegnen der DFB und viele andere Fußballverbände Infantino, auch weil er die Gewinnausschüttungen verlässlich größer werden lässt. Unproblematisch scheint deshalb auch zu sein, dass Trump im eigenen Land Städten mit WM-Entzug droht, die nicht seiner politischen Agenda folgen.

Nach der WM 2022 in Katar kam der DFB zu dem Schluss, dass er und andere europäische Partner sich mit ihrem Einsatz für Menschen- und Minderheitenrechte und Diversität innerhalb des Weltverbandes isoliert hatten. Man verordnete sich selbst Zurückhaltung, weil der Ertrag des Engagements zu gering eingeschätzt wurde. Drei Jahre später stützt der DFB durch Schweigen den Kurs von Fifa-Präsidenten Infantino, sich unter die Anhänger eines US-Präsidenten zu reihen, die hierzulande vor allem in der AfD zu finden sind. Spaltung und Polarisierung wird vorangetrieben, weil man lieber nicht erneut unangenehm auffallen will. All das sollte bei dieser Fifa-Groteske nicht vergessen werden.

  • informationsspiegel

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