
I m Parlament war am Freitag Gegenteiltag. Erster Teil: In der Debatte um das Rentenpaket der schwarz-roten Koalition haben Grüne und Linke die Rollen getauscht. Bislang waren es meistens erstere, die Beschlüsse mitgetragen haben, auch wenn sie inhaltlich höchstens zum Teil dahinterstanden. Mal aus staatspolitischer Verantwortung und mal, weil kleine Erfolge besser sind als gar keine Erfolge. Die Linke hat das oft belächelt: Konstruktive Opposition? Nichts da, Friedrich Merz kriegt von uns keine Hilfe.
Nun also andersherum. Die Grünen nehmen sich seit Monaten mehr Konfliktbereitschaft vor und haben den Vorsatz jetzt einmal umgesetzt. Schluss mit betreutem Regieren. Sie stimmten gegen das Rentenpaket, für das die Kanzlermehrheit bis zuletzt wackelte. Dafür klingt Heidi Reichinnek plötzlich wie frisch aus einem Seminar der Böll-Stiftung zur Verantwortungsethik: An Friedrich Merz ist viel zu kritisieren und an diesem Rentenpaket auch, aber erst mal lässt es die Renten steigen – da können wir nicht Nein sagen.
Worum es in diesem Kommentar nicht geht: Um die Frage, welcher der beiden Wege der richtige war. Für beide Optionen gibt es gute Argumente, zumal aus Sicht der jeweiligen Fraktionen. Die Grünen standen in den letzten Jahren zu oft als Abnicker da und die Linken als Aussetzige, mit denen kein Staat zu machen ist. Imagepflege konnten beide unter gegensätzlichen Vorzeichen brauchen und das gegenseitige Verständnis müsste eigentlich groß sein: Oft genug war man in der Vergangenheit doch selbst in der Rolle des jeweils anderen.
In der Bundestagsdebatte am Mittag war davon allerdings nichts zu spüren. Verrat, Ambitionslosigkeit, Unterwerfung, Blamage, Scheinheiligkeit und Obsessionen unterstellten sich Grüne und Linke gegenseitig. Vorne am Pult warfen sich die Redner*innen die Vorwürfe an den Kopf, hinten in den Sitzreihen brüllten sich die Abgeordneten ebenfalls an. Zum Glück sitzt zwischen beiden Seiten noch die SPD, ansonsten hätten sich Linke und Grüne noch eine Saalschlacht geliefert.
Ein Stück weit ist das Abgrenzungsbedürfnis verständlich. Linke und Grüne kämpfen zum Teil um die gleichen Wähler*innen, ein paar Prozentpunkte gehen schnell hin oder her und Glaubwürdigkeit in der Sozialpolitik ist ein zentraler Faktor. Aber bei aller Konkurrenz: An dem Konflikt, der sich wirklich lohnt, sind die beiden Fraktionen am Freitag weit vorbeigesegelt.
Gegeneinander geht es nicht
Sie haben dem Gegenteiltag noch einen zweiten Teil verpasst. Nicht mehr die Koalition steht als zertritten dar, nicht mehr der Kanzler und sein Fraktionschef als unfähig. Der Zoff innerhalb der demokratischen Opposition prägte das Bild dieser Debatte.
Das Fatale daran: Eine Mitte-Links-Mehrheit in der Zukunft, als Perspektive ohnehin schon wenig realistisch, machen solche Auftritte noch unwahrscheinlicher. Eskalation zwischen zwei Oppositionsparteien mit beschränkter Relevanz, die in der Tendenz doch das gleiche wollen, mobilisiert keine Massen.
Dafür würde sich der große Richtungsstreit besser eignen: Auf der einen Seite der Kanzler und seine Union, mit denen faire Renten auf Dauer nicht zu machen sind. Auf der anderen Seite die Parteien links der Mitte, die zumindest auf dem Papier gerechte Konzepte haben, in denen die Reichen mehr abgeben und die Mehrheit auf Dauer weniger Angst vor Altersarmut haben muss. Auf dem Weg dahin geht es nicht ohne verteilte Rollen. Aber gegeneinander lassen sich diese Pläne auf Dauer auch nicht umsetzen.







