Denn Trump hat sich zwar im Wahlkampf vom radikalen „Project 2025“ distanziert, nach der Wahl aber viele Vordenker des Manifests für seine neue Regierung nominiert. Zudem decken sich einige Ideen aus diesem detaillierten Plan zum Umbau der US-amerikanischen Demokratie mit den Zielen der republikanischen Partei. Und die steht mittlerweile ganz weit rechts.
Einige Kernpunkte des von rechtskonservativen Thinktanks erdachten „Project 2025“ unterstützt Trump ganz offen, etwa, die Macht des Präsidenten auszuweiten, die Einwanderung drastisch einzuschränken, den Klimaschutz hintanzustellen und das Bildungsministerium abzuschaffen.
Beim Thema Abtreibungen sind die vorgebrachten Pläne besonders extrem. Die präsidiale Macht solle demnach genutzt werden, um Abtreibungen aggressiv einzuschränken. Manche glauben nicht, dass Trump da mitzieht. Immerhin hat er erst kürzlich in einem NBC-Interview gesagt, dass er ein präsidiales Veto einlegen werde, sollte ein nationales Abtreibungsverbot auf seinem Schreibtisch landen. Doch Trump sagt oft das eine und tut dann das andere.
Nach dem Ende von Roe v. Wade
Während seines Präsidentschaftswahlkampfs 2016 forderte er, man müsse Abtreibungen „verbieten“ und sprach sich für „eine Art Bestrafung“ für Frauen aus, die illegal Abtreibungen vornehmen lassen. Ein zentraler Bestandteil seines Wahlprogramms 2016 war es, Richter am Obersten Gerichtshof zu ernennen, um die Grundsatzentscheidung zum Schwangerschaftsabbruch Roe v. Wade aufzuheben – was 2022 tatsächlich geschah.
Das Recht auf Abtreibung ist seitdem nicht mehr durch die Verfassung geschützt. Als erster amtierender Präsident nahm Trump auch am „March for Life“ in Washington, D. C., teil, einer Großdemonstration der sogenannten „Pro-Life“-Bewegung gegen Abtreibungen.
„Trump hatte die Pro-Life-freundlichste Regierung in der Geschichte Amerikas und verabschiedete die Pro-Life-freundlichsten Maßnahmen, die jemals eine Regierung umgesetzt hat“, sagte der Republikaner Roger Severino im Februar stolz der New York Times. Severino war während der ersten Trump-Präsidentschaft Direktor des Büros für Bürgerrechte im Gesundheitsministerium: „Diese Erfolgsbilanz ist, denke ich, der beste Beweis dafür, wie eine zweite Amtszeit aussehen könnte.“
Auch wenn er derzeit einen moderateren Ton in der Abtreibungsdebatte anschlägt, will Trump die Pro-Life-Lobby nicht verärgern. Das zeigte sich Ende August bei einer Debatte um die strengen Gesetze im Bundesstaat Florida, wo Abtreibungen schon nach der sechsten Schwangerschaftswoche illegal sind. Trump kritisierte die Gesetzeslage in seinem Heimatstaat zunächst als „zu extrem“.
Der Zugang zu Medikamenten
Er deutete an, dass er eine Verankerung von Abtreibungsrechten in der Verfassung Floridas unterstützen werde. Die Frist von sechs Wochen hielt er für zu kurz. Mehrere Tage lang setzten ihn daraufhin Anti-Abtreibungs-Gruppen unter Druck, Trump änderte kurzerhand seine Meinung und sprach sich für die bestehende Sechs-Wochen-Regelung aus. Ähnlich wankelmütig ist Trump, wenn es um Abtreibungspillen geht.
Trotz des Endes von Roe v. Wade ist es überall in den USA noch legal, die Medikamente Mifepriston und Misoprostol zu kaufen oder sie sich aus einem anderen Staat schicken zu lassen. Die meisten Schwangerschaftsabbrüche werden derzeit mit diesen Medikamenten durchgeführt.
Trump erklärte kürzlich in einem NBC-Interview, dass er nicht plane, den Zugang zu Mifepriston zu beschränken, und hielt es für „sehr unwahrscheinlich“, dass die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA) die entsprechende Zulassung zurücknehmen werde. Als die Reporterin nochmal nachhakte, zögerte er plötzlich: „Well, I commit. I mean, – things do – things change,“ sagte er. „I think they change.“
Und in der Tat ändert sich einiges bei der nationalen Gesundheitsbehörde. Vor wenigen Wochen hatte Trump angekündigt, dass der Chirurg und Autor Martin Makary der neue Präsident der FDA werden soll. Makary wurde landesweit durch Fernsehauftritte bekannt, bei denen er gegen Impfvorschriften wetterte.
Menschen mit geringem Einkommen besonders betroffen
Rukmini Timmaraju, Präsidentin der Organisation „Reproductive Freedom for All“, warnt: „Marty Makary ist ein bekannter Anti-Abtreibungs-Extremist, der die Agenda des Project 2025 vorantreiben wird. Er könnte die FDA als Waffe benutzen, um medikamentöse Abtreibung effektiv zu verbieten, die Empfängnisverhütung einzuschränken und die FDA als Waffe gegen reproduktive Freiheit einzusetzen.“
In der Tat sieht das „Project 2025“ vor, die FDA-Zulassung für Mifepriston zurückzuziehen und sie vom Markt zu nehmen. Außerdem wollen seine Verfasser den Comstock Act wiederbeleben, ein Bundesgesetz aus dem 19. Jahrhundert, das den Versand von „obszönem Material“ per Post verbietet, einschließlich Informationen über Verhütung, Abtreibung und sexuelle Gesundheit.
Würde der Comstock Act wieder aktiviert, könnte damit auch der Versand von Abtreibungspillen stark eingeschränkt werden. Besonders Menschen mit geringem Einkommen würde das treffen, denn für Alternativen, etwa Abtreibungen in anderen Bundesstaaten oder im Ausland, fehlen ihnen die finanziellen Mittel. Trumps rechtskatholischer Vizepräsident J. D. Vance hatte sich schon 2022 dafür ausgesprochen, den Comstock Act wiederzubeleben.
Trump selbst zögert, sich offen zu diesen Maßnahmen zu bekennen. Sie kämen einem nationalen Abtreibungsverbot gleich und sind selbst bei weiten Teilen der konservativen Bevölkerung unpopulär. Auch die republikanische Partei, die neben der Präsidentschaft den Senat und das Repräsentantenhaus gewonnen hat, windet sich und spricht von notwendigen „nationalen Standards“. Parlament und Präsident könnten jedoch tricksen und ein nationales Abtreibungsverbot einfach nicht so nennen, sondern es als Vereinheitlichung dessen verkaufen, was rechtskonservative Bundesstaaten schon an Verboten beschlossen haben.