ADFC kührt fahrradfreundlichste Städte: Wo es sich in Deutschland am besten radelt

Berlin taz | Wo sind die Radwege besonders gut? Auf welchen Straßen fühlen sich Fahr­rad­fah­re­r:in­nen besonders sicher? Wo gehen die Menschen im Verkehr besonders rücksichtsvoll mit Radfahrenden um? Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) hat am Dienstagnachmittag in Berlin die fahrradfreundlichsten Städte in Deutschland ausgezeichnet – also die Orte, die im Fahrradklima-Test des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) für das Jahr 2024 in ihrer jeweiligen Größenklasse am besten abgeschnitten haben.

Bei den Großstädten mit mehr als 500.000 Ein­woh­ne­r:in­nen liegt demnach Frankfurt am Main auf Platz 1 vor Hannover und Bremen, wobei sich Frankfurt in den letzten Jahren deutlich verbessern konnte. Münster verteidigt die Spitze bei den Städten mit über 200.000 Einwohnenden. Auch Erlangen siegte schon beim vorherigen ADFC-Test und konnte den Titel vor Darmstadt und Oldenburg verteidigen (100.000 bis 200.000 Einwohner:innen).

In den drei unteren Größenklassen liegen jeweils Tübingen, das nordhessische Baunatal und die Gemeinde Wettringen nordwestlich von Münster vorne. Aachen erhält einen Sonderpreis für ein überdurchschnittlich gut bewertetes Miteinander im Verkehr. Im Durchschnitt fällt die Bewertung des zwischenmenschlichen Umgangs mit der Note 4,05 nach Schulnotensystem von 1 bis 6 aber schlecht aus.

Insgesamt sind die befragten Rad­fah­re­r:in­nen etwas zufriedener als beim letzten Fahrradklima-Test aus dem Jahr 2022, die Durchschnittsnote verbesserte sich von 3,96 auf 3,92. Vor allem in Metropolen vergaben die Befragten bessere Noten. Nur Berlin, Düsseldorf, Essen, Dortmund und München kamen schlechter weg als vor zwei Jahren.

Fahrradwaschanlage in der Tiefgarage

„Der Radwegeausbau nimmt Fahrt auf“, sagte Frank Masurat, der Bundesvorsitzende des ADFC. „Wenn auch im kleinen Gang. Wir würden gerne drei bis vier Gänge höher schalten.“ Investitionen in den Radverkehr – in breite Radwege, Fahrradbrücken und Fahrradparkplätze – sorgten sofort für mehr Zufriedenheit bei den Radfahrenden. Selbst hügelige Städte wie Tübingen seien fahrradfreundlicher geworden.

E-Bikes würden immer beliebter, sie machten das Radfahren trotz der Höhenmeter und für Pend­le­r:in­nen attraktiv. Außerdem steche Tübingen dank eines durchgängigen und blau gekennzeichneten Radnetzes mit spektakulären Fahrrad­brücken heraus. Am Hauptbahnhof könne eine große Fahrrad­tiefgarage inklusive Fahrrad­waschanlage und Café punkten. Am meisten aufgeholt hat seit der letzten Umfrage Nürnberg dank fahrradfreundlicher Ampel­schaltungen und guter neuer Radwege.

„Was uns weiter Sorgen macht, ist das Thema Sicherheit“, sagte Masurat. „Mehr als zwei Drittel der Radfahrenden fühlen sich im Straßenverkehr nicht sicher.“ Viele Radwege seien zu schmal oder zugeparkt, oft würden Rad­fah­re­r:in­nen auf Straßen ohne eigenen Radweg zu eng überholt. Die Anzahl der Radverkehrstoten ist nicht kleiner geworden. Das sei „nicht akzeptabel“, betonte Masurat. Generell hätten insbesondere kleine Kommunen noch Aufholbedarf beim Radverkehr, ergänzte Bundesverkehrsminister Schnieder.

Verliererinnen unter den größten Städten: Berlin, München, Düsseldorf, Dortmund und Essen



Infografik: ADFC


Der ADFC startet den Fahrradklima-Test alle zwei Jahre, die Umfrage wird vom Bundesverkehrsministerium unterstützt. Im Herbst 2024 haben sich rund 213.000 Menschen beteiligt, davon war rund ein Fünftel Mitglied im ADFC. In 27 Fragen zur Sicherheit und zum Komfort beim Radfahren, zur Infrastruktur und zur Förderung des Radverkehrs, zum Verkehrsklima und zur individuellen Zufriedenheit beim Fahrradfahren konnten die Teil­neh­me­r:in­nen Noten vergeben.

Bundesgelder für Radwegeausbau wirken

Das Ranking der Städte erfolgt in sechs Größenklassen, damit nur Großstädte mit Großstädten und entsprechend kleinere Städte mit anderen kleinen Städten auf eine faire Weise verglichen werden. Laut ADFC sind die Ergebnisse statistisch nicht repräsentativ, der Fahrradklima-Test sei aber weltweit eine der größten Umfragen zur Zufriedenheit im Radverkehr. Außerdem sei die Befragung aussagekräftig, weil sich Bür­ge­r:in­nen und Kommunen bundesweit breit beteiligten: 1.047 verschiedene Orten flossen in die Bewertung ein.

In Tübingen sei Radfahren in den letzten Jahren tatsächlich angenehmer geworden, bestätigte Irmela Franjkovic. Sie organisiert in der baden-württembergischen Stadt die Kidical Mass, eine Fahrraddemo für kinderfreundlichen Straßen­verkehr, ist in der Bürger­initiative „Fuß- und Radentscheid Tübingen“ aktiv und Sprecherin des Arbeitskreises Mobilität der Grünen in Tübingen.

Schulen in der Innenstadt zum Beispiel ließen sich inzwischen viel einfacher mit dem Fahrrad erreichen. In Zeiten, in denen viele Schü­le­r:in­nen vor weiterführenden Schulen unterwegs sind – zum Beispiel zu Schulbeginn oder in den Pausen – dürfen dort keine Autos fahren, sagte Franjkovic. Mit dem „Radverkehrskonzept Tübingen 2030“, das der Gemeinderat im Januar 2024 verabschiedet hat, soll das Fahrradfahren noch besser werden.

Tübingen sei aber ein Sonderfall, weil die Stadtverwaltung dem Radverkehr ohnehin wohlgesonnen ist, meint Gernot Epple, der verkehrspolitische Sprecher des ADFC in Tübingen. Auch hier dauere so mancher Radwegeausbau länger als erhofft, weil es an Personal oder Geld fehlt. Grundsätzlich aber sei der politische Wille, das Fahrradfahren in der Stadt zu fördern, da, sagt Epple.

Verkehrsminister Schnieder wiederum freute sich, „dass die Förderung vor Ort Früchte trägt“, der Bund habe den Ausbau der Radwege finanziell unterstützt. Unter Schnieders Vorgänger Volker Wissing war das Geld für den Radverkehr noch im vergangenen Jahr allerdings deutlich zusammengestrichen worden. Der Haushalt der neuen Bundesregierung steht noch aus.

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