
dpa | In Brandenburg spitzt sich die Krise der dortigen Landesregierung zu, die Zukunft der bundesweit einzigen Koalition aus SPD und BSW ist aktuell unklar. Denn am Dienstag sind vier Abgeordnete des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) aus ihrer Partei ausgetreten. Als Grund für den Schritt gaben Jouleen Gruhn, Melanie Matzies, André von Ossowski und Reinhard Simon unter anderem an, es dominierten „radikalisierte Positionen“ in der Partei. Sie wollten aber als Parteilose in der Fraktion bleiben.
Die SPD will Gespräche nun mit dem Koalitionspartner im Landtag führen. An einer für den heutigen Mittwoch geplanten Vorentscheidung über zwei strittige Medienstaatsverträge will die SPD festhalten. „Wir werden dann das weitere Vorgehen besprechen“, teilte SPD-Fraktionschef Björn Lüttmann mit.
Brandenburgs Regierungskoalition verfügte bisher mit 32 SPD-Abgeordneten und 14 BSW-Abgeordneten über eine Mehrheit von 46 Stimmen. Die CDU hat im Brandenburger Landtag 12 Stimmen, die AfD 30.
In einer Erklärung, die am Dienstagabend verbreitet wurde, verweisen die vier Ex-BSWler Gruhn, Matzies, von Ossowski und Simon auf die jüngsten Entwicklungen innerhalb des BSW. „Autoritäre Tendenzen prägen zunehmend mehr das innerparteiliche Klima, der Druck auf Abgeordnete wächst, während offene Diskussionen und die Einbindung unterschiedlicher Stimmen in den Hintergrund treten“, heißt es dort.
Kritik von Sahra Wagenknecht
Noch-BSW-Chefin Sahra Wagenknecht kritisiert die vier Abgeordneten in Brandenburg, die im Streit aus ihrer Partei ausgetreten sind. Die vier Personen hätten im Wissen um die Positionen der Partei kandidiert und den Menschen versprochen, diese Positionen mit zu vertreten, sagte Wagenknecht in der ARD-Sendung „Maischberger“.
„Ich finde es wirklich problematisch, wenn einzelne Abgeordnete hier in einer wichtigen Position – und unsere Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist eine wichtige Position – meinen, das müssten sie einfach anders machen, weil sie es vielleicht besser wissen“, sagte Wagenknecht. Doch betonte sie, man werde „mit ihnen im Gespräch bleiben, und ich hoffe, dass wir das auch lösen können“.
In den vergangenen Tagen war in der Koalition von SPD und BSW in Potsdam der Streit über zwei Medienstaatsverträgen eskaliert. Anders als die SPD will eine Mehrzahl der BSW-Abgeordneten die Verträge nicht mittragen.
Wagenknecht sagte bei „Maischberger“, im Koalitionsvertrag gebe es keine Festlegung zu den Staatsverträgen. Sie habe mit Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) gesprochen. „Das wäre kein Grund für einen Koalitionsbruch gewesen“, sagte Wagenknecht. Sie hatte schon am Montag erklärt, sie sei dafür, die Koalition mit der SPD in Potsdam fortzuführen.
Streit um Medienstaatsverträge
Im Hauptausschuss wollen die Fraktionen von SPD und BSW am Mittwoch über zwei Medienstaatsverträge zur Rundfunkreform von ARD, ZDF und Deutschlandradio sowie mehr Jugendmedienschutz beraten. Die Staatsverträge stehen in der kommenden Woche im Landtag zur Abstimmung.
Die BSW-Fraktion hatte mehrheitlich angekündigt, gegen die Medienstaatsverträge zu stimmen. Damit hätte die Koalition keine eigene Mehrheit. Die BSW-Fraktion fordert eine weitgehendere Reform und befürchtet bei den Plänen zum Jugendmedienschutz übermäßige staatliche Eingriffe. Die SPD verlangte zunächst eine gemeinsame Zustimmung in der Koalition.
Doch der Streit um die Medienstaatsverträge schwelt auch innerhalb des BSW. Finanzminister Robert Crumbach (BSW) tritt für die Reformen ein. Der Partei-Bundesvorstand lehnte sie Anfang November ab. Zuletzt stellten vier Abgeordnete einen Misstrauensantrag gegen den Fraktionsvorstand um den Vorsitzenden Niels-Olaf Lüders.
Für den Hauptausschuss am Mittwoch – eine Vorabstimmung – wurde erwartet, dass Crumbach mit Ja stimmt, BSW-Fraktionschef Lüders mit Nein. Bei der Entscheidung im Landtag will die BSW-Fraktion laut Lüders am 19./20. November mehrheitlich mit Nein stimmen. Die CDU-Opposition sichert voraussichtlich die Mehrheit, damit die Verträge bundesweit nicht scheitern.
Nicht grundsätzliches gegen öffentlich-rechtlichen Rundfunk
Auf seiner Webseite erklärte der Landesverband, das BSW habe ein Versprechen abgegeben: „Mit uns endet das Weiter-so!“ Dies verlange aber, „dass man sich couragiert für BSW-Positionen einsetzt. Auch wenn dies nicht immer der einfachere Weg ist“, schrieb die brandenburgische BSW-Landesvorsitzende Friederike Benda dort. „Wir waren und sind es unseren Mitgliedern und Wählern schuldig, dass wir politisch konsequent sind. Unsere Partei und unsere Wähler erwarten zurecht, dass wir – in Regierung oder Opposition – nicht einknicken“, erklärte Benda.
Zum Ringen um die Medienstaatsverträge hatte Benda dort auch vor etwa einer Woche klargestellt: „Das BSW will einen Neustart für einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der seine verfassungsmäßige Aufgabe ernst nimmt und ein Leuchtturm für Meinungsvielfalt und Demokratie wird“, ein Nein zu den Staatsverträgen sei daher ein Ja für einen besseren öffentlich-rechtlichen Rundfunk und für tiefgreifende Reformen.
„Die derzeit diskutierten Medienstaatsverträge werden nicht dafür sorgen, dass unter anderem der Einfluss der Politik beschnitten, eine plurale Berichterstattung garantiert und die Mitbestimmung der Beitragszahler vergrößert wird“, meinte Benda. Dies sei „angesichts des Zustands und des sinkenden Vertrauens in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk“ ihrer Ansicht nach „dringend geboten“.
Auswirkung auf die Koalition offen
Die Brandenburger Koalition aus SPD und BSW besteht seit knapp einem Jahr und war die einzige Mehrheitsoption, wenn die AfD nicht mitregieren soll. Wie es jetzt mit der Koalition weitergeht, ist offen. Praktisch gibt es nun quasi drei Partner: SPD, BSW und die vier aus dem BSW ausgetretenen Abgeordneten. „Die Dynamik innerhalb der BSW-Fraktion ist überraschend und zum jetzigen Zeitpunkt nicht abschließend zu bewerten“, sagte Lüttmann.
Erstmal ist die Koalition noch im Amt. Vor der Ankündigung des Parteiaustritts der vier BSW-Abgeordneten erklärte die SPD-Fraktion, trotz des mehrheitlichen Neins des BSW an der Koalition festhalten zu wollen.







