Debatte um Maler Gustave Caillebotte: Zu schöne Männerpopos

Ein nackter Mann, gesehen in Rückansicht, steht neben der Badewanne. Gemalt hat das sehr prosaische Sujet der Künstler Gustave Caillebotte. Er starb 1894 und wird gemeinhin den Impressionisten zugezählt, denen er freundschaftlich verbunden war. Ein zweites Bild zeigt den nackten Mann, wie er sich den Unterschenkel abtrocknet.

Die beiden Werke sind derzeit zu sehen im Pariser Musée d’Orsay, und wie stets, wenn das Museum einen französischen Maler vorstellt, ist das Haus voll. Die Ausstellung „Gustave Caillebotte. Peindre les hommes“ („Männer malen“) bietet die seltene Gelegenheit, das überwiegend noch in Privatbesitz befindliche Œuvre des Malers vereint zu sehen.

Doch es ist, wie es der Titel besagt, keine Retrospektive, sondern eine Themenausstellung. Caillebotte hat zahlreiche Portraits gemalt, von Männern der gehobenen Gesellschaftsschicht, der er, der Erbe eines großen Vermögens, selbst angehörte. Aber mehr als das. Er hat Handwerker gemalt, die den Parkettboden schleifen oder ein Ladengeschäft anstreichen. Und er hat ein paar Mal nackte Männer im Badezimmer gemalt.

Maler des modernen Lebens

Ob das ausreicht oder gar nahelegt, eine Ausstellung unter dem Titel „Männer malen“ zu versammeln, sei dahingestellt. Caillebotte ging es um etwas anderes, Größeres: Er war, wie kaum ein zweiter seiner Impressionistenfreunde, der „Maler des modernen Lebens“, den Baudelaire in seinem berühmten Essay gefordert hatte. Er malte, was er sah, die Eisenbrücke am Bahnhof Saint-Lazare oder eine Straße bei Regen, und besonders oft den Blick aus seiner vornehmen Wohnung an einem der großen Boulevards. Er malte das brandneue Paris.

Nun aber wird ihm die Häufung seiner Männerbildnisse als Hinweis auf Homosexualität gedeutet. Die diesbezügliche Gender-Debatte schwappt aus den USA herüber, wo die Ausstellung im Anschluss in Los Angeles und Chicago gezeigt werden soll. Die Pariser Kunstkritik reagiert empört. Caillebotte, der stillschweigend mit seiner Mätresse zusammenlebte, gebe nicht den geringsten Hinweis auf homosexuelles Begehren. Und überhaupt, wie der Kritiker der linksliberalen Libération schreibt: Was spielt das für eine Rolle?

Keine. Denn was an seinen Gemälden erschlösse sich, wenn die Vermutung zuträfe? Nicht mehr, als was sie zeigen. Caillebotte, dem die Konventionen seiner Gesellschaftsschicht diskretes Verhalten beigebracht hatten, hielt sich stets im Hintergrund. Er ging seinen Beschäftigungen nach, er malte, er baute Rennboote, mit denen er Regatten fuhr. Er verkehrte mit Freunden und Bekannten, und den Impressionisten griff er finanziell unter die Arme. Künstlerisch war er eher ein Einzelgänger, dessen überragende Bedeutung erst seit einigen Jahren erkannt wird.

Wie um den eigenen Ausstellungstitel zu konterkarieren, haben die Pariser Ausstellungsmacher ein Breitformat ans Ende gehängt: Da räkelt sich eine nackte Frau auf einem geblümten Sofa. Was das bedeuten könnte, bleibt jedem Besucher selbst überlassen.

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