Die Wahrheit: Plappern mit der Spaßmamsell

Was ist bloß mit unserer Sprache los? Befindet sie sich in einer Koalitions- oder doch eher einer Kohäsionskrise? Erst meldete die Bild-Zeitung, das hochgeschätzte Portal Wortliga habe herausgefunden, die Anredeform „Sehr geehrte Damen und Herren!“ sei verfickt steif und abgefuckt antiquiert und gehöre daher zugunsten lockerer und effizienterer Wendungen – etwa „Guten Morgen!“, „Hallo zusammen!“ und „Servus, olle Kanonen!“ – ausradiert, ungeachtet des Befundes von Adorno, der „pseudodemokratische Abbau … altmodischer Höflichkeit“ führe durch die Schleifung humanisierender Distanz zu einer Vorstufe der Barbarei, zu kommunikativer „Rohheit“.

Und dann, am 13. des Monats, schaute ich, eine neuere Gewohnheit pflegend, zum ersten schwedischen Kaffee des Tages Phoenix. Tritt der Bundestag zusammen, stiefelt der Bonner Bumssender bereits um 8 Uhr 30 in die Bütt, mit präludierenden Interviews in der Lobby des Hohen Hauses.

Anlässlich der Debatte über die „Hightech-Agenda Deutschland“ standen Ronja „Ein Stück weit“ Kemmer (CDU) und Andrea Lübcke (Die Grünen) parat. Kemmer hob hervor, es gehe „jetzt ganz konkret darum, in der Hightech-Agenda zu fokussieren“, und „es wäre auch naiv zu sagen: Wir kümmern uns nicht um Quanten.“ Besorgte man sich trotzdem nicht um Quanten, müsse eine offenbar maoistische „Agentur für Sprunginnovation“ den Quanten auf die Sprünge helfen.

Rechnen mit Photonen

Da wollte Lübcke nicht zurückstecken und ergänzte: „Innovationspolitik hat Prior eins, dann muss (sic!) dem auch Taten folgen“, beispielsweise beim „Rechnen mit Photonen“, was impliziere: „Dann brauchen wir aber … auch ’nen Mindset-Shint (und nicht -Shift), dass das cool ist, Sachen nicht nur fürs Labor zu produzieren“.

Ich dachte, verrotteter könne man kaum daherplappern, aber anschließend stampfte Dorothee Bär, Bundesministerin für Forschung, Technologie und Raumfahrt, ans Pult, diese von sich „in voller Gänze“ (Lübcke) berauschte Spaßmamsell, die ihre Freude darüber, ein derart schmuckes, sagenhaft sinnloses Amt zugeschustert bekommen zu haben, gar nicht mehr einzudämmen vermag.

Bär kultiviert die Prosodie eines fränkischen Karpfens ohne „Turboantrieb“ (Bär) und teilte der Republik auf Phoenix folgendes mit: „Ich war selbst achteinhalb Stunden vor Ort, auch in allen Breakoutsessions … Das war ein ganz positives, ein ganz starkes Signal … und ich glaub’, das ist ganz wichtiger (sic!) denn je … Parallel sind die ersten Flaggschiffe gestartet“, und „jetzt geht’s in die Roadmap-Prozesse“, und da „werden wir noch mal einen Call-to-Action haben“, um zu erkunden, „welches Commitment dahintersteckt“, was man „mit sogenannten Breakthrough-Tagen auch untermauern“ werde.

Was ist nur mit unserer Sprache und unseren Damen geschehen? Ich gewärtige ein Call-to-Destruction-Commitment im Geiste Cormac McCarthys. Auf dass endlich a Ruh’ is’.

  • informationsspiegel

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