Ein Aufatmen konnte man vernehmen, als die US-Amerikanerin Naomi Beckwith als Kuratorin der nächsten documenta in Kassel verkündet wurde. Nicht nur wird unter ihrer künstlerischen Leitung die 16. Ausgabe der Weltkunstschau ihrem klassischen Fünfjahresturnus gemäß im Sommer 2027 stattfinden, obwohl es zeitlich schon knapp geworden war nach dem Rücktritt der ersten Findungskommission und einer Totalinventur der ganzen Documenta-Organisation.
Die 48-jährige Beckwith verspricht mit ihrer jahrelangen Erfahrung an einigen der wichtigsten Museen für Gegenwartskunst in den USA auch Stabilität. Mit ruhigem Selbstbewusstsein trat die jetzige Chefkuratorin und stellvertretende Direktorin am New Yorker Guggenheim Museum am Mittwoch auf, bei ihr wird wieder besonnen diskutiert werden in Kassel. Das ist vonnöten, nachdem die letzte documenta unter der Leitung des indonesischen Kuratorengruppe ruangrupa mit ihrem Konzept der vielen Kollektive – es kamen über 3.000 Künstler nach Kassel – politisch aus dem Ruder geraten war.
Naomi Beckwith ist nicht die erste US-Amerikanerin, die eine documenta leitet. Aber die in Chicago Aufgewachsene vertritt mit ihren Ausstellungen zur Black Culture in den USA einen vor allem angloamerikanischen Kunstdiskurs. Am Museum of Contemporary Art in Chicago, wo sie vorm Guggenheim sechs Jahre als Kuratorin tätig war, erhielt sie 2018 mit einer Retrospektive der Schwarzen Bürgerrechtlerin und Pionierin der feministischen Videokunst, Howardena Pindell, viel Aufmerksamkeit.
Ihr Studium an der Kuratoren-Kaderschmiede des Londoner Courtauld Institute of Art schloss Beckwith mit einer Arbeit zu Adrian Piper und Carrie Mae Weems ab, die sich beide künstlerisch mit der Geschichte des US-amerikanischen Rassismus auseinandersetzen.
Trotz ihrer politischen Themen scheint Naomi Beckwith nicht ideologisch zu sein. Das war ja das eigentliche Problem bei ruangrupa, dass sie 2022 nur einen politisierten, parteiischen Blick aus dem „globalen Süden“ zuließen. Spricht Beckwith über Kunst, dann klingt das geerdet, weit weg von steilen Thesen.
Kunst soll „funky“ werden
Sie möge es, wenn Kunst „funky“ wird und die Grenzen der Genres austestet, sagte sie kürzlich im Podcast der britischen Kunsthistorikerin Katy Hessel. Und sie wolle verschiedene Künstler in Beziehung zueinander setzen, über Dekaden und Geografien hinweg. Das hat sie zuletzt auch im Guggenheim mit der Ausstellung „By Way of Working“ getan, als sie Robert Rauschenberg, Senga Nengudi oder Joseph Beuys zusammenbrachte.
Ähnliches, das ließ sie durchblicken, wird sie wohl auf der documenta 16 tun. Bei ihr wird es in Kassel wohl wieder mehr um die Kunst selbst gehen.