
Derzeit macht kaum ein Land Hoffnung. Vielerorts sind Rechtspopulisten, Autokraten und Diktatoren auf dem Vormarsch. Doch gibt es gelegentlich Überraschungen, die für Betroffene wie etwa Sithu Aung Myint einen Unterschied machen. Der Kolumnist aus Myanmar kam vergangene Woche völlig unerwartet durch eine Amnestie der Militärjunta frei.
Im Juli 2015 hatte er an einem vom Auswärtigen Amt unterstützten Workshop der taz Panter Stiftung in Berlin teilgenommen. Als ältester Teilnehmer bereicherte er die Gruppe der Nachwuchsjournalisten aus dem lange isolierten Land und fiel durch fundierte Analysen auf.
Gern schrieb er später auch für die taz, als die Panter Stiftung zum Militärputsch vom 1. Februar 2021 eine Beilage von früheren Workshopteilnehmern veröffentlichte. Sithu Aung Myint ging für die taz der Frage nach, warum die gestürzte De-facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi bei den Anti-Junta-Protesten noch als Freiheitsikone galt, obwohl sie so wenig erreicht hatte.
Als das Putschregime die Massenproteste zusammenzuschießen begann und erste Journalisten festnahm, tauchte Sithu Aung Myint unter. „Nach mir wird gefahndet wegen angeblicher Aufwiegelung. Zweimal hat ein vom Militär kontrollierter Sender das schon verbreitet“, schrieb er der taz im Juni 2021 aus seinem Versteck.
Das Gesamtstrafmaß wurde immer länger
Das verließ er nach eigenen Worten kaum und wenn, veränderte er zuvor sein Aussehen. „Ich könnte schon die Folter beim Verhör nicht überleben“, fürchtete er. Bis zum Putsch hatte er für ein großes Multimediahaus gearbeitet, dessen Besitzer dem Militär nahestand. „Schnell wurde klar, dass ich kein kritisches Wort über die Generäle und ihr brutales Vorgehen schreiben kann“, schrieb er. „Da habe ich gekündigt.“
Sithu Aung Myint verlor darauf vier Fünftel seines Einkommens und stellte fest: „Pressekonferenzen und Vor-Ort-Recherchen sind für mich jetzt tabu.“ Er kommentierte nur noch in sozialen Medien, für ein Onlineportal sowie den birmesischen Dienst von Voice of America.
Am 15. August 2021 wurde Sithu Aung Myint mit einer ebenfalls versteckten Kollegin festgenommen. Im Jahr darauf wurde er wegen „Aufwiegelung“ zu drei Jahren Haft verurteilt. Diese wurde später um weitere zwei Jahre erhöht. Bald kam noch eine Verurteilung zu sieben Jahren Arbeitslager wegen „Verleumdung des Staates“ hinzu.
Seine Tochter bestätigte der taz seine Freilassung am 1. Dezember aus Yangons berüchtigtem Insein-Gefängnis. Mit der Amnestie will das Militär offenbar vor den zum Jahresende angesetzten Scheinwahlen sein Image aufpolieren. Denn es kamen noch fünf weitere Journalisten frei. Dabei waren einer Studie zufolge bei den bisher 18 Amnestien der Militärjunta nur 13 Prozent aller Freigelassenen politische Gefangene gewesen.
Große Sorge um die Sicherheit
Die Panter Stiftung hatte Sithu Aung Myints Tochter, die auch Journalistin ist, im Februar 2022 bei einem Treffen in ihrem thailändischen Exil Hilfe für ihren Vater angeboten. Doch die ohnehin nur wenigen Hilfsmöglichkeiten waren schon von Voice of America abgedeckt.
Die heute in den USA lebende Tochter antwortete jetzt auf ein erneutes Unterstützungsangebot der taz-Stiftung: „Mein Vater ist bei guter Gesundheit und an einem sicheren Ort. Im Moment ist er sich noch unsicher, was er tun soll. Er sorgt sich sehr um seine Sicherheit. Vor kurzem kamen einige Männer zum Haus meiner Mutter in der südlichen Stadt Mawlamyaing und suchten nach ihm. Wir vermuten, dass sie auch zu unserem Haus in Yangon gegangen sind, um nach ihm zu suchen. Wir wissen nicht, was sie vorhaben, und wir sind sehr besorgt, dass er wieder verhaftet werden oder sich neuen Anklagen stellen könnte.“
Die meisten der 45 Journalistinnen und Journalisten aus Myanmar, die 2013 bis 2019 an Workshops der Panter Stiftung teilnahmen, flohen nach dem Putsch ins Exil. In der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen rutschte Myanmar nach dem Putsch von Rang 139 (2020) auf heute Platz 169 von 180 Staaten ab. Laut dem Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ) sitzen in Myanmar derzeit 27 Journalisten im Gefängnis, 7 wurden seit dem Putsch getötet.






