„Manifest“ aus den Reihen der SPD: Ein unwürdiger, reflexhafter Phrasenaustausch

E igentlich hätte ich Generalinspekteur Carsten Breuer gern noch ein wenig zugehört, als er vor einigen Wochen bei Sandra Maischberger erzählte, wie er so aussieht, dieser hybride Krieg. Breuer berichtete, ihn habe ein Landrat angerufen: Es seien zwei Männer in Jacken mit Wappen des Landkreises bei einem Umspannwerk aufgetaucht. Sie hätten Fotos gemacht und behauptet, der Landrat habe sie zu Überprüfungszwecken geschickt. Der Landrat hatte jedoch niemanden geschickt. Es habe ihn auch bedenklich gestimmt, dass die beiden Männer vor allem Russisch gesprochen hätten.

Die Pointe hatte Breuer eigentlich ganz gut gesetzt, sie hätte durchaus noch eine Rückfrage verdient. Frau Maischberger jedoch wechselte das Thema. Dabei erklärte Deutschlands oberster Soldat hier gerade, was alles „Teil dieser hybriden Kriegsführung“ ist. Damit kam er Mitte März sehr in die Nähe der fernsehöffentlichen Ansage, dass Russland sich nicht nur selbst im Krieg gegen die Nato sieht, sondern tatsächlich einen Krieg gegen Deutschland führt. Im November zuvor hatte Breuer noch – ebenfalls bei Maischberger – von einem „Zustand“ gesprochen, „der nicht mehr ganz Frieden, aber auch noch nicht ganz Krieg ist“. Das war noch eine Nummer kleiner.

Diese Woche redete auch der Noch-Chef des Bundesnachrichtendiensts BND, Bruno Kahl, im „Table Media“-Podcast von „Belegen“, dass Russland sich bald ein europäisches Land für einen Test aussuchen werde, ob denn das Nato-Bündnis überhaupt noch funktioniere. Nun mag man die Öffentlichkeitsarbeit des BND unter dem Gesichtspunkt bewerten, dass der deutsche Auslandsgeheimdienst weder das Afghanistan-Desaster 2021 rechtzeitig erkannte noch den Angriff Russlands auf die Ukraine 2022 für möglich hielt. Vermutlich will er nicht noch mal zu den Letzten gehören, die vor irgendetwas warnen.

All dies jedoch einfach unter „Panikmache“ zu verbuchen, dazu braucht man ganz schön Nerven. Diese aber bringt eine Truppe gestandener, allerdings weitgehend abgesetzter SPD-Vertreter und weniger -Vertreterinnen erkennbar auf: Neben Ralf Stegner und Norbert Walter-Borjans ist tatsächlich auch Ex-Fraktionschef Rolf Mützenich der Meinung, man solle mit Russland vor allem reden und kooperieren. So schreiben sie und andere es in einem am Mittwoch veröffentlichten „Manifest“. Mützenich hat jahrzehntelang Außenpolitik gemacht und müsste die obersten Sicherheits- und Verteidigungskräfte der Republik schon deshalb ein bisschen ernst nehmen, weil er ihnen so oft gegenüber gesessen hat – dächte ich. Aber womöglich ist ihm jetzt nach kompensationsfreiem Verlust des SPD-Fraktionsvorsitzes einfach alles egal.

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Hilfreich zur Einschätzung der Bedrohung aus Russland ist das „Manifest“ der SPD-Truppe jedenfalls an keiner Stelle. Die Idee scheint zu sein, die Frage schlicht zu ignorieren. Vielleicht sollte man das Manifest ja gar nicht so wichtig nehmen. Aber gerade dieser Punkt kränkt mich als Staatsbürgerin: Jahrelang hatten mehrere der Unterzeichnenden privilegierten Zugang zu wichtigen, auch geheimdienstlichen Informationen über innere und äußere Sicherheit, über Rüstung und alles sonstige Geopolitische. Sie könnten die Debatte darüber, was etwa das Auftauchen falscher, russischsprachiger Kontrolleure an Umspannwerken zu bedeuten hat, qualifiziert mitführen. Stattdessen kleistern sie das Fenster der politischen Aufmerksamkeit mit einem weiteren unwürdigen, absehbar reflexhaften Phrasenaustausch darüber zu, wie man wohl grad mit Wladimir Putin reden könnte.

Wie schön es doch wäre, wenn die Leute ihr politisches Gewicht auch in sachliche Verantwortung übersetzen würden.

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