Minimalstrafe für Korruption: Posten­schacher als Kavaliers­delikte in Österreich

In Österreich stand am Dienstag August Wöginger, Obmann des ÖVP-Parlamentsklubs (Fraktionsvorsitzender), vor Gericht. Der Vorwurf lautete auf Anstiftung zum Amtsmissbrauch, weil Wöginger mitgeholfen haben soll, einen ÖVP-Kandidaten an die Spitze des Finanzamts Braunau zu befördern. Eine deutlich besser qualifizierte Bewerberin, die das Haus in- und auswendig kannte, hatte demnach keine Chance.

Die Beweislage für die politische Intervention im Finanzministerium ist erdrückend, vor allem dank bekannt gewordener Chatverläufe. Umso verwunderlicher, dass Wöginger nun ohne Schuldspruch davonkam. Die längste Zeit hatte er beteuert, nichts falsch gemacht zu haben, um in der Verhandlung dann doch ein Fehlverhalten einzuräumen und eine Diversion vorzuschlagen.

Überraschenderweise gingen nach einiger Bedenkzeit die anklagende Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft sowie das Schöffengericht auf die Diversion ein. Wöginger muss bloß 44.000 Euro zahlen, bleibt aber rechtlich unbescholten. Zur Größenordnung der Strafe: Als ÖVP-Klubobmann verdient Wöginger rund 15.000 Euro monatlich.

Die Möglichkeit auf Diversion beim Delikt Amtsmissbrauch wurde erst 2014 eingeführt, soll aber nur bei „geringfügiger oder sonst unbedeutender Schädigung an Rechten“ zum Einsatz kommen. Bei Wöginger kann eine solche Geringfügigkeit zumindest bezweifelt werden.

Generalprävention? Besonders hohe Maßstäbe, die an hochrangige Politiker angelegt werden? Adäquate Konsequenzen für offensichtlichen Postenschacher? Fehlanzeige. Mehr als das unbedingt nötige Maß an Einsicht ließ auch Wöginger nicht erkennen. „Ich bin froh, dass die Sache damit für mich erledigt ist“, sagte er knapp nach der Entscheidung. An einen Rücktritt von einem der höchsten Parteiämter denkt er offenbar nicht. Vom Kanzler abwärts hielten ihm zudem diverse ÖVP-Spitzenpolitiker die Stange, auch der ÖVP-Ethikrat sieht keine Probleme.

Während zahlreiche Experten die Diversion vehement kritisieren, ist von den ÖVP-Koalitionspartnern im Bund, also Sozialdemokraten und liberalen Neos, nichts dergleichen zu hören. Dem Vertrauen in Politik und Justiz tut diese Lösung nichts Gutes. Schon unter Ex-Kanzler Sebastian Kurz wurde vieles zerstört: Man denke an den Vorwurf, systematisch Umfragen gefälscht und Boulevardmedien mit Steuergeldern gekauft zu haben – Ermittlungen sind noch anhängig.

Im Zuge dessen kam es zu Hausdurchsuchungen im Bundeskanzleramt, im Finanzministerium und in der ÖVP-Parteizentrale. All das gab ein desaströses Bild jener Partei ab, die im Bund seit 1986 (!) durchregiert, und ist wohl nur die Spitze des Eisbergs.

Ein reinigendes Gewitter gab es, entgegen allen Beteuerungen in der ÖVP, nie. Der nun verhandelte Postenschacher liefert einmal mehr ein katastrophales Sittenbild ab. Dass Österreich im jüngsten Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International einen historischen Tiefstwert erreicht hat, darf niemanden wundern.

  • informationsspiegel

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