Russland setzt seit Kriegsbeginn auf die großflächige Störung von Satellitennavigation. Beim „GPS-Jamming“ überlagern Störsender die Navigationssignale mit Rauschen, beim „GPS-Spoofing“ werden gefälschte Navigationssignale ausgesendet.
Viele dieser Störsignale reichen bis in die baltischen Staaten, Polen und die Ostsee. Die finnische Fluggesellschaft Finnair musste zeitweise ihre Flüge nach Tartu in Estland aussetzen.
Zu solchen Schwierigkeiten kam es nun auch in Wien, wo dichter Nebel die Landung von FR748 erschwerte. Beim ersten Landeanflug musste der Airbus A320 laut des österreichischen Fachmagazins „Austrian Wings“ in 76 Metern Höhe durchstarten, beim zweiten Versuch auf 90 Meter Höhe.
Per Bus nach Wien
An Bord war laut „Presse“ bloß von „kleineren technischen Problemen“ die Rede, es sei zu Unruhe und Schreien gekommen. Erst bei der Landung in Brno sei erleichterter Applaus aufgebrandet. Die Passagiere wurden per Bus ins zwei Stunden entfernte Wien gebracht.
Experten zufolge hätte man auch ohne GPS problemlos landen können. Denn der Wiener Flughafen verfügt über ein vom GPS unabhängiges Instrumentenlandesystem (ILS). Ryanair beantwortete eine taz-Anfrage dazu nicht, verwies nur neuerlich auf „ein geringfügiges technisches Problem mit dem GPS-System in Kombination mit schlechter Sicht“. Die Airline entschuldige sich „für entstandene Unannehmlichkeiten“.
Aber warum kam es zum kurzfristigen Abbruch des Landevorgangs? Wo genau trat die GPS-Störung erstmalig auf, wie äußerte sie sich und kann sie tatsächlich Russland zugeschrieben werden? Wenn ja, wäre es das erste Mal, dass sich russische GPS-Störungen auf den Flugverkehr in Österreich auswirken. In Polen und im Baltikum tun sie das längst.
Die AustroControl, die für die Sicherheit im Luftraum zuständig ist, bestätigte die fehlgeschlagenen Landeversuche und verweist darauf, dass die Entscheidung zum Durchstarten und Ausweichen alleine der jeweilige Pilot trifft. Nachdem es zu keinem Unfall gekommen war, gibt es auch keine behördliche Untersuchung. Auf politischer Ebene wird der Fall bisher nicht diskutiert. Anfragen der taz an das Außenministerium und das auch für Luftfahrt zuständige Verkehrsministerium in Wien blieben unbeantwortet.
Störungen im Baltikum und Nahen Osten
Fest steht: GPS-Störungen sind ein Problem für die zivile Luftfahrt. „Mittlerweile haben viele Airlines eigene Handbücher, wie man sich bei Auftreten verhalten soll“, sagt Dominic Z’graggen, erfahrener Pilot und Präsident der Austrian Cockpit Association. GPS-Störungen gebe es im Baltikum oder auch im Nahen Osten, wie er von Kollegen, aber auch aus eigener Erfahrung weiß. Das dringe aber selten an die Öffentlichkeit, weil es alternative Systeme gebe und Piloten damit in der Regel gut umgehen könnten.
„Problematisch wird es, wenn angezeigte Warnungen irgendwann ignoriert werden, weil man denkt, sie fußen auf ohnehin falschen GPS-Daten“, sagt Z’graggen. Im aktuellen Fall könnte es ihm zufolge genau umgekehrt gewesen sein: Dass die Landung möglich gewesen wäre, der Pilot aber den angezeigten Warnungen gefolgt sei. Wie es wirklich war, kann nur die Crew selbst beantworten. Und einzig Ryanair könnte den Kontakt vermitteln.