Neu-Ausrichtung der Entwicklungspolitik: Fokus auf private Interessen

Berlin taz | Die Interessen von deutschen Unternehmen sollen zukünftig stärker in der Entwicklungspolitik berücksichtigt werden. Am Dienstag stellte Entwicklungsministerin Reem Alabali Radovan (SPD) einen entsprechenden Aktionsplan vor. Dabei wollte sie auch Einigkeit in der Bundesregierung zur Neuausrichtung deutscher Entwicklungspolitik demonstrieren: Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) sprach bei der Eröffnung sowie Vertreterinnen der CDU-geführten Wirtschafts- und Außenministerien.

„Deutschland braucht Partner im Globalen Süden. Das macht unsere Wirtschaft stark für die Zukunft“, sagte Alabali Radovan bei der Vorstellung des Aktionsplans in Berlin. Dabei gehe es um neue Märkte, Sicherung von Rohstoffen und Arbeitskräfte. Im Mittelpunkt stehe der Dialog mit der deutschen Wirtschaft. Zukünftig sollen etwa vor Regierungsverhandlungen zur Entwicklungszusammenarbeit mit Ländern des Globalen Südens, Wirtschaftsverbände, Unternehmen und Handelskammern konsultiert werden.

Außerdem sollen Unternehmen dabei unterstützt werden, sich an öffentlichen Ausschreibungen zu beteiligen. Die Kriterien dafür werden zwar von den Ländern selbst festgelegt, die deutsche staatseigene Entwicklungsbank KfW könnte aber versuchen, mehr Einfluss auf diese Kriterien zugunsten deutscher Unternehmen zu nehmen. Ebenso sollen deutsche Unternehmen schon bei Projektentwicklungen einbezogen werden.

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Das BMZ setzt auf sozial und ökologisch nachhaltige Lieferketten

Reem Alabali Radovan, Entwicklungsministerin

Das BMZ will zukünftig noch mehr auf gemeinsame Investitionsvorhaben mit der Privatwirtschaft in Ländern des Globalen Südens setzten, vor allem um die Versorgung der deutschen Wirtschaft mit kritischen Rohstoffen sicherzustellen.„Dabei setzt das BMZ auf sozial und ökologisch nachhaltige Lieferketten“, betonte Alabali Radovan. Gleichzeitig soll auch die Wertschöpfung in Entwicklungsländern gefördert werden. Das sei kein Widerspruch, betonte die Ministerin, denn auch beim Aufbau von Fabriken vor Ort, würden etwa deutsche Maschinen gebraucht.

Zuspruch aus der Wirtschaft

Und auch der „Compact with Africa“, den einst Gerd Müller (CSU) als Entwicklungsminister initiierte, soll gestärkt werden. Er verspricht Investitionen, wenn Länder Reformen umsetzen, etwa Steuerbegünstigungen oder Stärkung des Rechtsstaates. Eine Untersuchung des Internationalen Währungsfonds von September konnte jedoch keinen eindeutigen Zusammenhang zwischen dem Compact und erhöhtem Investitionsaufkommen in den Mitgliedsstaaten finden.

Der Aktionsplan greift viele Forderungen der deutschen Wirtschaft auf, etwa aus dem Positionspapier des Bundesverbands der Deutschen Industrie vom vergangenen Jahr, das eine stärkere Ausrichtung auf deutsche Wirtschaftsinteressen in der Entwicklungspolitik forderte.

Christoph Kannengießer, der Geschäftsführer des Afrika-Vereins, der in Afrika tätige deutsche Unternehmen vertritt, begrüßte den Aktionsplan und forderte eine schnelle pragmatische Umsetzung, etwa durch Garantien und Risikoabsicherungen. Beim Thema Fachkräfte seien außerdem „schnellere Visa, erleichterte Anerkennung von Abschlüssen und gemeinsame Ausbildungsinitiativen“ zentral.

Soziale Standards könnten in den Hintergrund rücken

Tilman Altenburg vom Deutschen Institut für Entwicklung und Nachhaltigkeit (Idos) sieht einen Mehrwert im angekündigten „strukturierten, ständigen Dialog zwischen den Ressorts“, also den verschiedenen Ministerien. Wenn es um die niedrigen Investitionen deutscher Unternehmen im Globalen Süden gehe, müsse man aber ehrlich sein. Das habe vielmehr damit zu tun, dass deren Ausrichtung verstärkt in Osteuropa liege. „Es gibt wenig deutsche Unternehmen, die in Entwicklungsländern investieren wollen, selbst wenn man ihnen sämtliche Garantien gäbe“, sagte Altenburg. Auch gäbe vielfach keine deutschen Anbieter mehr, um Entwicklungsvorhaben umzusetzen, etwa im Straßenbau.

Eine zentrale Herausforderung sieht Altenburg darin, „die Schnittstellen zwischen Partnerinteressen und nationalen deutschen Interessen zu identifizieren“. Dabei sollten Eigeninteressen nur verfolgt werden, „wo sie mit gesamtgesellschaftlichen Zielen vereinbar sind“.

Der Verband deutscher Entwicklungsorganisationen Venro warnt, dass die Wahrung sozialer Standards und die Interessen der Menschen im Globalen Süden in den Hintergrund rücken. „Sollte die Strategie wie hier skizziert vom BMZ umgesetzt werden, droht die deutsche Entwicklungszusammenarbeit zu einem Förderinstrument deutscher Wirtschaftsinteressen zu verkommen“, kommentiert der Verband.

Die deutsche Entwicklungspolitik steht öffentlich unter Druck, ihren wirtschaftlichen Nutzen für Deutschland zu beweisen. Auch geopolitische Interessen stehen im Vordergrund, etwa die Konkurrenz mit China und Russland um Einflussnahme und Rohstoffe. Gleichzeitig gehen weltweit öffentliche Investitionen in Entwicklungsziele zurück und die Mobilisierung privater Mittel wird von Po­li­ti­ke­r*in­nen stärker in den Vordergrund gerückt. Im BMZ-Haushalt von 2025 wurden knapp eine Milliarde Euro gekürzt.

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