Neue Oper für Hamburg: Denkmal für einen modernen Feudalherrn

E s ist kein Geheimnis, dass die Hamburger Bürgerschaft am Mittwoch für den Neubau eines Opernhauses stimmen wird. Dabei sollte sie genau das nicht tun. Hätte sie auch nur einen Funken kollektiver Selbstachtung, müsste sie den Plan zurück in die Ausschüsse verweisen.

Selbst wer begeistert ist von der Idee eines neuen Opernhauses mitten im Hafen, berauscht von der großzügigen Stiftung eines Mäzens und überzeugt vom Siegerentwurf der dänischen Architekten Bjarke Ingels Group, müsste nüchtern sagen: So ist das nicht zustimmungsfähig.

Und zwar allein schon, weil nicht geklärt ist, was aus dem denkmalgeschützten Opernbau am Dammtor werden soll. Der muss für fast 100 Millionen Euro saniert werden, damit er bis zur Eröffnung der neuen Oper durchhält.

Die Hälfte der nötigen Summe kommt übrigens aus dem „Sondervermögen Infrastruktur“. Nur, dass diese Kultur-Infrastruktur nach neun Jahren abgeschrieben sein muss.

Wer zahlt, bestimmt

Denn für eine Nachnutzung gibt es kein Konzept. Es soll irgendwie weiter kulturell sein, aber privat. Dass ein Mieter die Investitionen refinanziert, ist illusorisch. Es ist also absehbar, dass das Gebäude den Stadtsäckel belasten wird – oder unter Vergießen größerer Krokodilstränen doch abgerissen wird.

Viel grundsätzlicher ist die Frage nach dem Bedarf für einen Opern-Neubau, die nun auch eine Gruppe von Pro­fes­so­r:in­nen aus Architektur, Theater- und Geschichtswissenschaft aufgeworfen hat: Sollte Hamburg sich erneut für Jahrzehnte auf den Betrieb eines Opernhauses festlegen, da der Besuch in den vergangenen 50 Jahren um mehr als ein Viertel eingebrochen ist?

Wenn ja, wäre zu prüfen, ob die geplante „Guckkastenbühne“ den Erfordernissen eines modernen Musiktheaters entspricht, so die Fachleute. Sie fordern deswegen ein Moratorium und eine Enquetekommission.

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Die Kühne-Oper steht damit auch nicht in der Tradition der Hamburger Bürgeroper – sie steht als autoritäres Projekt sogar im Gegensatz zu ihr

Bislang hat den Bedarf nämlich Klaus-Michael Kühne ganz allein festgestellt. Und der Multimilliardär wünscht sich nun mal Oper, wie sie immer schon war, nur besser, irgendwie glänzender. Und als erfahrener Mäzen weiß er: Wer zahlt, bestimmt.

Deshalb hat er die Taschen weit geöffnet, erst bei einer Milliarde würde seine Stiftung das Projekt überdenken, heißt es. Klingt fantastisch generös, auch wenn Dealmaker Kühne der Stadt einen Eigenanteil von einer Viertelmilliarde rausgeleiert hat.

Dabei darf man aber nicht vergessen, dass die Schenkung von einem Steuerflüchtling kommt, der seine Heimat- und angebliche Herzensstadt mit der Verlagerung seines Logistikkonzerns in die Schweiz vermutlich um ein Vielfaches an Abgaben geprellt hat.

Fatal fürs Image

Worauf sein Vermögen fußt, ist lange bekannt: Die Spedition Kühne+Nagel verdankt ihren Aufstieg zum Weltkonzern maßgeblich ihrer Beteiligung an der Ausplünderung der Juden Westeuropas während des Nationalsozialismus.

Kühnes beharrliche Weigerung, die Erforschung dieser Zeit zu ermöglichen, geschweige denn, Verantwortung für das Handeln seines Vaters zu übernehmen, müsste ihn als Stifter disqualifizieren. Schon aus Imagegründen sollte die Stadt von einer Immobilie Abstand nehmen, die weltweit für lange Zeit mit Kühnes Namen assoziiert werden wird.

Aber die Hamburger Politik hat Kühne den roten Teppich ausgerollt, damit er der Stadt ein paar Hundert Millionen zusteckt – für ein Prestigeprojekt, das vor allem seinen eigenen (Nach-)Ruhm mehrt. Er tut das im Stile eines autoritären Herrschers.

Überrumpeltes Parlament

Der entscheidet gönnerhaft, was für seine Untertanen am besten ist. Die Milliardäre sind die Feudalherren von heute, mit ihrem Geld können sie den Lauf der Welt bestimmen, ganz ohne sich mit den Mühen des Regierens abzugeben.

Die Kühne-Oper steht damit auch nicht in der Tradition der Hamburger Bürgeroper, 1678 von Menschen gegründet, die sich auch sonst um die Geschicke der Stadt sorgten – sie steht als autoritäres Projekt sogar im Gegensatz zu ihr.

Dazu passt, wie der Hamburger Senat es durchgepaukt hat: Lange hatte Kultursenator Carsten Brosda (SPD) es als Geheimprojekt vorangetrieben, dann gab es einen Wettbewerb mit nur fünf handverlesenen Architekturbüros.

Gerade einmal zwei Wochen nach der Entscheidung soll nun die Bürgerschaft ihren Segen geben. Allein dieses Überrumpelungsverfahren zeigt eine Geringschätzung des Parlaments, die dies sich nicht gefallen lassen dürfte.

  • informationsspiegel

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