Schule und Smartphone: Verbot unter aufmerksamer Anleitung

V erbote sind autoritär, hemmen den Spaß, schränken die Freiheit ein – und sind manchmal leider doch richtig. Nicht das Münchner Verbot, im Kiosk nach 22 Uhr Chips zu verkaufen, oder ein mögliches Verbot von Social-Media-Nutzung für Jugendliche.

Aber zum Beispiel ein Verbot von Smartphones an Schulen. Das soll auch an Sachsens Grundschulen kommen, hat Kultusminister Conrad Clemens (CDU) am Donnerstagabend bekanntgegeben, nachdem er zusammen mit Wissenschaftler*innen, Schul- und Elternvertretungen und der Bundesbildungsministerin Karin Prien (auch CDU) beim sogenannten Handygipfel in Dresden war. Davor hatten sich in einer Umfrage unter Grundschulleitungen 75 Prozent für ein Verbot ausgesprochen. Nach den Winterferien soll’s losgehen. Weiterführende Schulen sollen 2026 noch mal besprochen werden. Recht so, man kann Achtjährige und 14-Jährige wirklich nicht miteinander vergleichen, was Mediennutzung angeht.

Nun sind Schulen per se Orte voller Verbote. Manche sind generell (Schwänzen, Kopfbedeckung, Kaugummi). An manchen können Schü­le­r*in verzweifeln (Wörterbuch erst in den höheren Klassen), an anderen sich reiben, um zu wachsen und zu lernen, wie man sich eben gegen Verbote wehrt oder sich zumindest nicht erwischen lässt. Und von manchen können sie profitieren. Das Smartphone­verbot, wenn es denn richtig umgesetzt wird, ist eines davon.

Seit Jahren diskutieren Lehrkräfte, Politiker*innen, Wis­sen­schaft­le­r*in­nen und Schü­le­r*in­nen – gerne zu Schuljahresanfang – darüber, ob Smartphones an Schulen erlaubt sein sollten oder nicht. Die Hauptargumente: Smartphones lenken ab, Social-Media-Plattformen können Suchtpotenzial haben, das soziale Miteinander gestaltet sich anders, wenn ein digitales Endgerät mit im Spiel ist.

Engagement alle Beteiligten gefragt

In Hessen und Bremen dürfen Smartphones deswegen grundsätzlich nicht an öffentlichen Schulen genutzt werden, außer in der Oberstufe. In Thüringen, Brandenburg, dem Saarland nicht an Grund- und Förderschulen. Eine bundesweit einheitliche Regelung, wird es nicht geben. Welche digitalen Endgeräte wie genutzt werden, ist eben Ländersache. Oder Schulsache. Denn manche Länder geben die Entscheidung einfach weiter nach unten. Das ist faul.

Können Schulleitungen in Gesprächen mit Lehrkräften, Eltern und, nicht zu vergessen, Schü­le­r*in­nen eine Schulregel erarbeiten? Sicher. Aber der Prozess ist stark abhängig davon, wie viel Engagement alle Beteiligten aufbringen können und wie gut sie sich mit dem Thema auskennen.

Hinzu kommt, dass an nahezu allen Schulformen Lehrkräftemangel herrscht – ausgenommen am Gymnasium. Diese Schulen haben es also schon mal schwerer, die Zeit und Energie aufzubringen, eigene Regelungen zu entwickeln.

Dabei wäre es gerade dort wichtig, weil sich unter den Schü­le­r*in­nen ein ­digital ­divide feststellen lässt: Gym­na­si­as­t*in­nen schnei­den bei Tests der digitalen Kompetenz deutlich besser ab als Gleichaltrige von anderen Schulformen. Das darf nicht sein. Schule hat die Aufgabe, alle Menschen aufs Leben vorzubereiten. Und egal, welchen Abschluss man am Ende hat: In der digitalen Welt, mit Fake News, Suchtpotenzialen und auch Chancen bewegen sich alle.

Weggesperrte Smartphones

Mitte der Woche, einen Tag vor dem Handygipfel in Dresden, veröffentlichten der Verein D64, der Bundeselternrat, die Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur, und das Deutsche Kinderhilfswerk einen gemeinsamen offenen Brief gegen „pauschale Smartphone-­Verbote an ­Schulen“.

Sie fordern „Medienbildung, Partizipation und pädagogische Verantwortung“ statt „Symbolpolitik“. Ein Verbot, so die Argumentation, verhindere Erfahrungsräume, in denen Kinder und Jugendliche lernten, mit Ablenkung, digitalem Stress und Onlinekommunikation umzugehen. Das ist richtig – wenn man wie der öffentliche Brief von einem „pauschalen“ Smartphoneverbot“ ausgeht.

Dass Schü­le­r*in­nen die Klasse betreten, ihr Smartphone in eine Kiste sperren, die dann erst nach der letzten Stunde des Tages wieder geöffnet wird, bringt niemanden weiter; weggesperrte Smartphones jedoch, die gelegentlich herausgegeben werden, um zu recherchieren, Musik für eine Präsentation auszusuchen, über das Mediennutzungsverhalten zu sprechen und es als Hilfe im Lernalltag zu nutzen, tun das durchaus. Bei einem Verbot geht es also nicht um einen kompletten Ausschluss, sondern um eine Umkehr des Normalzustands:

Die Lehrkräfte müssen nicht mehr ermahnen, das Gerät wegzulegen und nicht mehr unter dem Tisch zu chatten oder zu zocken. Sie müssen nicht mehr kontrollieren, dass Schü­le­r*in­nen im Unterricht wie auf dem Pausenhof Aufnahmen von anderen Menschen machen, um sie damit bloßzustellen, zu mobben, zu erpressen.

Stattdessen können sie sich überlegen: Ist es sinnvoll, wenn die Jugendlichen jetzt kurz mit dem Smartphone arbeiten? Medienbildung fließt nicht aus dem Screen in die Schü­le­r*in­nen rein, sobald sie das Smartphone entsperrt haben. Sie passiert unter aufmerksamer Anleitung.

  • informationsspiegel

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