
W enn am Mittwoch in Australien das weltweit erste nationale Social-Media-Verbot für Kinder und Jugendliche in Kraft tritt, geht damit eine Verletzung der Freiheit unter dem Vorwand des Jugendschutzes einher. Hunderttausende Menschen, die jünger als 16 Jahre alt sind, dürfen nicht mehr auf Instagram, Tiktok, Snapchat unterwegs sein. Was für ein Einschnitt in die Kommunikation, in die kulturelle, politische, psychologische Entwicklung Heranwachsender!
Studien weisen darauf hin, dass die psychische Gesundheit Jugendlicher gefährdet sein kann, wenn sie besonders lange auf Social-Media-Plattformen unterwegs sind oder dort schädliche Inhalte konsumieren. Sucht, Schlafstörungen, Radikalisierung, geminderter Selbstwert, das alles sind reale Gefahren. Aber die Opfer auszusperren, darf nicht die Lösung sein.
„Verbringt Zeit mit euren Freund*innen und eurer Familie“, appelliert Australiens Regierungschef Anthony Albanese an die Jugendlichen: „Persönlich, von Angesicht zu Angesicht.“ Albanese lebt offenbar in einer Welt, in der das funktioniert.
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Aber viele Jugendliche tun das nicht. Wie soll man Freund*innen persönlich treffen, die Hunderte, Tausende Kilometer entfernt leben, aber ebenso wichtig sind wie jene aus der Schule?
Das Internet bietet gerade für diskriminierte Menschen, insbesondere für Menschen mit Behinderung und queere Menschen, eine einzigartige Möglichkeit, miteinander in Kontakt zu treten. Während der Rest der Welt sie bewusst oder unbewusst darin behindert, teilzuhaben, retten sich die Jugendlichen gegenseitig auf Social-Media-Plattformen. Viele finden dort eine Form der Gemeinschaft, die die Welt ihnen „von Angesicht zu Angesicht“ verweigert.
Willkommen im rechtsfreien Raum
Jugendliche werden das Verbot umgehen. Wenn die sich den Zugang zu den Plattformen nicht ergaunern wie bei Alkohol oder Clubs, werden sie alternative Social-Media-Plattformen nutzen, die sich gegen das Gesetz sträuben. Willkommen im rechtsfreien und damit gefährlicheren Raum. Oder anders formuliert: Australien sperrt einen etablierten, einigermaßen sicheren Platz in der Innenstadt ab und treibt Jugendliche in Seitenstraßen, in denen ihnen Extremist*innen, Scammer*innen, Sexualstraftäter*innen auflauern.
Wenn die EU schlau ist, wartet sie erst einmal ab, wie sich das Verbot auswirkt. Australien experimentiert unterdessen an seinen Kindern. Vielleicht gibt es demnächst wissenschaftliche Erkenntnisse statt lediglich Technologieskeptizismus und jugendfeindlichen Aktionismus. Und vielleicht kommt die EU ja auch auf das Nächstliegende: bestehende Plattformen sicherer machen – für alle.






