Südkoreas Beziehung zu den USA: Allianz auf dem Prüfstand

F ast täglich entlädt sich die Wut am zentralen Gwanghwamun-Platz in Seoul, zwischen gläsernen Bürotürmen und dem historischen Gyeongbokgung-Palast, direkt gegenüber der US-amerikanischen Botschaft. An diesem frühherbstlichen Nachmittag haben sich hier Dutzende Demonstranten eingefunden, um ihren Frust gegenüber „Uncle Sam“ lautstark kundzutun.

„Eine Allianz, die Menschenrechte missachtet, brauchen wir nicht“, sagt Ham Jae Kyu, Gewerkschaftsfunktionär der linksgerichteten KCTU. Die Wut richtet sich gegen die Trump-Regierung. Dabei verbindet Südkorea mit den USA eine jahrzehntelange Allianz.

Doch dann stürmten am Morgen des 4. Septembers Hunderte Sicherheitskräfte der Immigrationsbehörde ICE mit gehobenen Waffen auf ein Werksgelände im Bundesstaat Georgia. Das war von den südkoreanischen Konglomeraten Hyundai und LG errichtet worden – auch, um Donald Trumps Investitionsforderungen zu erfüllen.

Gedankt wurde es den Südkoreanern mit einer beispiellosen Razzia. Die ICE-Beamten nahmen 316 koreanische Arbeiter an Ort und Stelle fest. Die meisten von ihnen waren keineswegs illegal im Land, sondern auf sogenannten Kurzzeitvisa.

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Historische US-Panzer und Armeeshops in Seoul

Dies ist zwar ein rechtlicher Graubereich, der aber von den US-Behörden lange geduldet und sogar gefördert wurde. Seit Trump gelten solche Abmachungen offensichtlich nicht mehr. Für die Südkoreaner sitzt der Schock noch immer tief.

Dabei eint die zwei Staaten ein jahrzehntealtes Bündnis, das bis auf den Koreakrieg zurückgeht: Damals kämpften US-Soldaten an der Seite Südkoreas, später halfen die Sicherheitsgarantien und die Investitionen der Vereinigten Staaten, den Grundstein für Südkoreas Wirtschaftswunder zu legen. Gerade die Konservativen fühlten stets eine tiefe Verbundenheit mit den USA.

Im Stadtbild Seouls ist die enge Verbindung mit bloßem Auge sichtbar: Mitten im Zentrum steht eine riesige, wenn auch mittlerweile weitgehend geräumte, US-Militärbasis. Im angrenzenden Kriegsmuseum werden historische US-Panzer ausgestellt. Und nur einen Steinwurf entfernt, im Vergnügungsviertel Itaewon, gibt es die in Ostasien vielleicht höchste Dichte an amerikanischen Pubs, Burgerläden und Armeeshops.

Nun jedoch ist die Stimmung gekippt. Die linksgerichtete Zeitung Hankyoreh schrieb in einem Leitartikel, das koreanische Volk fühle sich, als hätte man ihm „in den Rücken geschlagen“. Auch die konservative Chosun Ilbo fragte rhetorisch, was die USA meinen, wenn sie von einer „eisernen Allianz“ sprechen? Sicherlich nicht, dass Südkoreas Staatspräsident Lee Jae Myung ­Investitionen in Höhe von 350 Milliarden US-­Dollar verspricht, nur um wenige Monate später eine derartige Erniedrigung zu erdulden.

Der Volkszorn ebbt nicht ab

Als die über 300 inhaftierten Südkoreaner nach einer guten Woche Untersuchungshaft – offiziell „freiwillig“ – in ihre Heimat ausgeflogen wurden, ebbte der Volkszorn nicht ab. Im Gegenteil: Nun nämlich schilderten die Betroffenen in den Medien ihre Erfahrungen.

Ein Mann, der anonym bleiben wollte, sprach von Zellen, die derart klamm und kalt waren, dass man die zugewiesenen Handtücher in Mikrowellen erhitzt habe, um sich an ihnen aufzuwärmen. Die Matratzen der Etagenbetten schimmelten, die Zellen waren ohne Fenster, die Toiletten ohne Sichtschutz.

Solche Schilderungen haben viele Südkoreaner desillusioniert: Jener Staat, der sich als Hüter der Menschenrechte versteht, sorgt nicht einmal für menschenwürdige Haftbedingungen im eigenen Land.

Nur wenige Stunden bevor Südkoreas Staatspräsident Lee Jae Myung am 23. September seine Rede vor der UN-Generalversammlung hielt, traf er sich noch mit US-Abgeordneten. Dort sprach der Gast aus Fernost ein seltenes Machtwort: Die jüngste Inhaftierung südkoreanischer Arbeiter dürfe sich nicht wiederholen. Doch allen ist klar: Die USA sitzen am ­längeren Hebel.

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