Wehrpflichtdebatte: Doppelt daneben

Die Union torpediert das Freiwilligenmodell von Boris Pistorius. Dabei kann es durchaus funktionieren, wenn die Bundeswehr attraktiver gemacht wird.

D ie Debatte um eine Wiedereinführung der Wehrpflicht reißt nicht ab. Aus der CDU und der CSU überschlagen sich geradezu die Stimmen, die die Rückkehr zum militärischen Zwangsdienst nicht nur propagieren, sondern für unausweichlich halten. Dass deswegen nun sogar die erste Lesung des neuen Wehrdienstgesetzes nicht wie geplant in dieser, sondern erst in der nächsten Woche stattfinden soll, zeigt dabei, dass es der Union vor allem um demonstrative innenpolitische Feldvorteile auf Kosten der SPD und ihres Verteidigungsministers Boris Pistorius geht.

Ginge es ihr bloß um die Sache, würde sie ihre Änderungsbegehren in das übliche parlamentarische Verfahren einbringen – und zwischen der ersten und der finalen dritten Lesung auf das alte Bonmot des früheren SPD-Fraktionsvorsitzenden Peter Struck bauen: „Kein Gesetz verlässt den Bundestag so, wie es hereingekommen ist.“

Allerdings liegt die Union auch in der Sache daneben. Die Pläne von Pistorius, auf freiwilliger Basis die Truppenstärke sukzessive bis Anfang der 2030er Jahre von derzeit rund 183.000 auf 260.000 Sol­da­t:in­nen anwachsen zu lassen, sind keineswegs unrealistisch. Laut einer aktuellen Forsa-Umfrage können sich immerhin 16 Prozent aller 14- bis 29-Jährigen grundsätzlich vorstellen, zur Bundeswehr zu gehen, bei den jungen Männern sind es sogar 30 Prozent. Das wären weit mehr als genug. Eine Voraussetzung, um die anvisierte Zielzahl zu erreichen, ist jedoch, dass der Wehrdienst deutlich attraktiver wird, und zwar sowohl monetär wie auch strukturell.

Das Logo der taz: Weißer Schriftzung t a z und weiße Tatze auf rotem Grund.
taz debatte

=”” div=””>

Woran die Forsa-Umfrage aber auch keinen Zweifel lässt: Mit 63 Prozent ist eine große Mehrheit der jungen Menschen gegen einen militärischen Zwangsdienst, bei einer Rückkehr zur Wehrpflicht nur für Männer ist die Ablehnung noch weitaus größer. Die SPD sollte sich sehr gut überlegen, ob sie sich von der Union weichkochen lässt. Der Preis könnte hoch sein, erscheint sie doch schon jetzt für junge Menschen nicht mehr besonders attraktiv.

Gemeinsam für freie Presse

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Alle Artikel stellen wir frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade in diesen Zeiten müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass kritischer, unabhängiger Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei!

Jetzt unterstützen

  • informationsspiegel

    Related Posts

    Politische Repression in Hongkong: Tschüss, Demokratie
    • December 16, 2025

    China zieht die Daumenschrauben in der ehemaligen britischen Kronkolonie Hongkong weiter an. Europa sollte genau hinsehen. mehr…

    Weiterlesen
    Umgang mit Alttextilien: Die Kosten alter Jeans und Pullis
    • December 16, 2025

    Immer mehr Klamotten auf dem Markt: Künftig müssen sich die Hersteller von Kleidung an den Entsorgungskosten beteiligen. Das weckt Begehrlichkeiten. mehr…

    Weiterlesen

    Nicht verpassen

    Politische Repression in Hongkong: Tschüss, Demokratie

    • 5 views
    Politische Repression in Hongkong: Tschüss, Demokratie

    Umgang mit Alttextilien: Die Kosten alter Jeans und Pullis

    • 5 views
    Umgang mit Alttextilien: Die Kosten alter Jeans und Pullis

    Diskussion über NS-Straßenname: Varel kommt nicht aus der Kriegsverbrecher-Sackgasse

    • 5 views
    Diskussion über NS-Straßenname: Varel kommt nicht aus der Kriegsverbrecher-Sackgasse

    „Projekt Halle“: Eine gesunde Arroganz

    • 4 views
    „Projekt Halle“: Eine gesunde Arroganz

    Ausstellung über Weihnachtsfeierkultur: „Das erste Weihnachten ohne Pappi“

    • 5 views
    Ausstellung über Weihnachtsfeierkultur: „Das erste Weihnachten ohne Pappi“

    „Urchristen“ auf dem Weihnachtsmarkt: Vegetarisch mit antisemitischem Beigeschmack

    • 5 views
    „Urchristen“ auf dem Weihnachtsmarkt: Vegetarisch mit antisemitischem Beigeschmack