A usländische Journalisten fragen regelmäßig nach der Stimmung in der Ukraine: Sind wir erschöpft vom Kämpfen? Sollten wir den Donbas aufgeben? Und warum wollen Ukrainer im Ausland eigentlich nicht kämpfen?
Bei aller Verehrung für die Europäische Union und die USA, diese aktuellen „Friedensgespräche“ sind keine. Erörtert wird vielmehr eine Form der milden Kapitulation der Ukraine, mit unterschiedlich großen Gebietsabtretungen. Natürlich brauchen wir westliche Hilfe im Krieg. Aber braucht die Ukraine auch Unterstützung für ihre Kapitulation?
Kämpfen, um zu überleben
Vielleicht kommunizieren wir nicht richtig? Vielleicht ist bis heute immer noch nicht klar, dass wir uns einfach verteidigen, um nicht umgebracht zu werden. Im Westen aber klingt das so: Lasst sie doch noch ein bisschen kämpfen. Und dann sollen die Ukrainer selbst entscheiden, wie sie vergewaltigt werden möchten. Sind doch selber schuld: haben Putin böse angeschaut und wollten unbedingt nach Europa. Und Wahlen sollten sie endlich abhalten!
Artem Perfilov
Freiberuflicher Journalist und lokaler Produzent aus der ukrainischen Hafenstadt Odessa. Seit Beginn der russischen Großoffensive in der Ukraine begleitet er ausländische Journalisten, unter anderem in die Frontgebiete. Der Autor war Teilnehmer eines Osteuropa-Workshops der taz Panter Stiftung.
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Bei uns gibt es einen Witz: „Die Ukraine kämpft, alle anderen sind kriegsmüde.“ Sie können sich gar nicht vorstellen, wie müde wir sind vom Dauerbeschuss, den vielen Begräbnissen und den Stromausfällen. Aber wer verteidigt uns, außer uns selbst? Wir hatten auf die USA gehofft, aber jetzt rollt Trump Putin den roten Teppich aus und redet von Business mit Russland. Und Europa? Fährt gerade seine Ukraine-Hilfe zurück, weil man ja nicht gegen eine Atommacht kämpfen könne. Und man ja Pazifist sei. In Deutschland protestieren bereits Jugendliche unter dem Slogan „Lieber unter Putins Herrschaft leben als zu kämpfen“ gegen die Wehrpflicht.
Und dann noch diese Nachrichten: „Der Krieg ist bald vorbei!“ Woher kommt das? Russland bombardiert und erobert weiter. Aber nach solchen Meldungen nimmt die Hilfe ab. Und: „Nichts verringert die Zahl derjenigen, die zum Militärdienst bereit sind, so sehr wie die wiederholten Ankündigungen vom baldigen Kriegsende“, sagte mir ein Offizier einer Rekrutierungsstelle.
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Für die Menschen in der Ukraine ist der Krieg zum Alltag geworden. Trotz der Todesangst vor Luftangriffen und Kämpfen geht das Leben weiter: Die Menschen gehen zur Arbeit, zur Schule und zur Uni. Sie lieben, lachen, heiraten, bekommen Kinder, machen Urlaub. Sie trauern, sorgen sich – und hoffen auf Frieden. ➝ zur Kolumne
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Lohnt es sich, den Donbas zu opfern?
Etwa 80 Prozent des Donbas sind bereits besetzt. Die Ukrainer haben das starke Gefühl, dass Trump Putin Zeit gibt, auch den Rest zu erobern. Putins Truppen rücken schon in weiteren Gebieten vor. Wer garantiert, dass sie an den Grenzen des Donbas Halt machen werden? Den Donbas jetzt zu opfern, ist, als würde man einem Kannibalen ein Bein geben, in der Hoffnung, dass er nicht auch noch das zweite abhackt. Ich frage Journalisten normalerweise zurück: Wären die europäischen Länder bereit, einen Teil ihres Territoriums im Austausch für einen brüchigen Frieden ohne Garantien aufzugeben? Wenn alle drumherum das dringend empfehlen?
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Dieser Artikel wurde möglich durch die finanzielle Unterstützung des Recherchefonds Ausland e.V. Sie können den Recherchefonds durch eine Spende oder Mitgliedschaft fördern.
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Und warum kämpfen die Ukrainer im Ausland nicht?
Ich verrate Ihnen etwas: Auch die Ukrainer im Land selber wollen nicht wirklich kämpfen. 2022 war uns klar, dass wir unser Land verteidigen, dass wir dabei unterstützt werden. Jetzt wissen wir nicht mehr, wofür wir kämpfen sollen, außer für das Recht zu leben. Die „Unverletzlichkeit der Grenzen“ und der „Schutz der Menschenrechte“ haben sich als Fiktion herausgestellt. Niemand verteidigt uns.
Und Sie fragen die Geflüchteten ernsthaft, warum sie sich nicht gegen die russische Militärmaschine stellen, ohne Hoffnung auf irgendeine Unterstützung? Die Ukrainer, die Sie in Ihrem Land sehen, sind nur die erste Welle. Wenn sich die Situation nicht ändert, wird es eine zweite und dritte Welle geben – diejenigen, die den Krieg überlebt haben.
Und diejenigen, die in der Ukraine bleiben, werden in die russische Armee eingezogen, um zu neuen Eroberungen geschickt zu werden. Wie jetzt bereits in den besetzten Gebieten. Raten Sie mal, welche Länder Russland noch erobern möchte?
Aus dem Ukrainischen Gaby Coldewey






