„Digital only“ könne diskriminierend, undemokratisch und unsozial sein. In dem Gutachten fordern er und seine Mitautorin Karin Schuler, ein „Recht auf analoge Teilhabe normativ festzuschreiben“.
Das Gutachten ist eine Reaktion darauf, dass das Leben ohne Internet, ohne E-Mail-Adresse, ohne Computer oder Smartphone immer schwieriger wird. Firmen und mitunter auch staatliche Akteure setzen zunehmend voraus, dass Menschen digital erreichbar und versiert sind. So setzen beispielsweise Banken auf digitale Kontoverwaltung, bauen Filialen ab und verteuern die Kontoführung auf Papier. Die digitale Kontoführung braucht meistens ein Smartphone, um via App Transaktionsnummern (TANs) für Überweisungen und andere Aufträge zu generieren.
Die elektronische Patientenakte, die im kommenden Jahr für alle gesetzlich Versicherten Standard wird, lässt sich im vollen Umfang nur per App verwalten. Die Terminvereinbarung bei Arztpraxen läuft immer stärker über Online-Plattformen. Die Deutsche Bahn hat die Bahn-Card nicht mehr als Plastikkarte im Angebot, sondern drängt ihre Kund:innen in die App.
Und auch der Staat zwingt mitunter zum Digitalen: Studierende, die im vergangenen Jahr ihre staatliche Energiepreispauschale beantragen wollten, mussten sich dafür ein Nutzer:innenkonto bei BundID einrichten. Das bewertete die Datenschutzbeauftragte von Sachsen-Anhalt später als unzulässig.
Petition gegen Digitalzwang
Als Reaktion auf den insgesamt zunehmenden Digitalzwang hatte der Bürgerrechtsverein Digitalcourage im Frühjahr eine Petition gestartet. Die Forderung: Das Recht auf analoge Teilhabe soll ins Grundgesetz. „Dieses juristische Gutachten bestärkt uns in unserem Bestreben, das Recht auf ein Leben ohne Digitalzwang im Grundgesetz zu verankern“, erklärt Rena Tangens von Digitalcourage nun.
Zahlen des Statistischen Bundesamts (Destatis) zufolge waren im vergangenen Jahr gut 5 Prozent der Menschen in Deutschland im Alter zwischen 16 und 74 Jahren sogenannte Offliner. Das heißt, sie haben noch nie das Internet genutzt. Das entspreche 3,1 Millionen Menschen in Deutschland.
Für sie könnte ein Grundrecht auf analoges Leben die Situation verbessern. Eine entsprechende Verankerung im Grundgesetz hätte laut dem Gutachten zur Folge, dass der Anspruch von Betroffenen einfacher eingeklagt werden könne. Öffentliche Stellen würden explizit und grundsätzlich zu einer analogen Alternative verpflichtet. Ein Vorgehen wie bei der Energiepreispauschale für Studierende wäre dann wohl schon im Vorfeld klarerweise unzulässig.
Aber auch gegenüber Privatunternehmen könnte ein entsprechendes Grundrecht helfen, so das Gutachten. Und zwar dann, wenn ein „überlegener Vertragspartner ein solches Gewicht hat, dass er faktisch einseitig die Beziehung bestimmen kann“. In solchen Fällen komme dem Staat eine „Schutzpflicht“ zu. Wie weit die Deutsche Bahn oder Banken gehen dürften mit ihrer Einschränkung analoger Möglichkeiten, müssten dann Gerichte entscheiden.