Das russisch– und englischsprachige Portal Meduza zählt zu den wichtigsten unabhängigen russischen Medien. Im Januar 2023 wurde Meduza in Russland komplett verboten. Doch Meduza erhebt weiterhin seine Stimme gegen den Krieg – aus dem Exil. Die taz präsentiert seit 1. März 2023 unter taz.de/meduza immer mittwochs in einer wöchentlichen Auswahl, worüber Meduza aktuell berichtet. Das Projekt wird von der taz Panter Stiftung gefördert.
In der Woche vom 12. bis zum 18. Dezember 2024 berichtete Meduza unter anderem über folgende Themen:
Ohne Russischkenntnisse kein Schulbesuch
Kürzlich stimmte die russische Staatsduma dafür, dass Kinder von Migrantinnen und Migranten einen Russischtest ablegen müssen, bevor sie in die Schule aufgenommen werden können. Die neue Regelung, die im April 2025 in Kraft treten wird, könnte nach Berechnungen der Journalisten von iStories bis zu einem Prozent der Schulkinder des Landes das Recht auf Bildung verwehren. Meduza veröffentlicht eine Übersetzung ihres Berichts über die möglichen Folgen des neuen Gesetzes auf Englisch.
Das neue Gesetz schaffe Hindernisse für den Zugang zu Bildung und die künftige erfolgreiche Integration der Kinder, sagt Irina Abankina, Direktorin des Instituts für Bildungsentwicklung an der Moskauer Higher School of Economics.
Die Russland-Direktorin von Amnesty International, Natalia Zviagina, reagiert mit einer noch schärferen Erklärung: „Dieses Gesetz verstößt nicht nur eklatant gegen internationales Recht, an das Russland gebunden ist, sondern auch gegen die eigene Verfassung des Landes, die Diskriminierung verbietet und jedem das Recht auf kostenlose Schulbildung garantiert.“
Die genaue Zahl der Kinder mit Migrationshintergrund in Russland ist nicht bekannt. In den vergangenen drei Jahren hat das Bildungsministerium jedoch Daten über Schüler:innen mit ausländischer Staatsangehörigkeit oder staatenlose Schüler:innen gesammelt. Im Jahr 2023 gab es 178.000 solcher Kinder in russischen Schulen, was etwa einem Prozent aller Schüler:innen entspricht.
Weniger Militärwerbung im Moskauer Raum
Die Moskauer Behörden haben die Werbung für den Vertragsdienst im Militär zurückgefahren, insbesondere an den Rekrutierungskiosken in U-Bahnhöfen, Bahnhöfen und auf den Straßen. Auch die Zahl der Plakate und Poster, die für den Dienst in der „besonderen Militäroperation“ – wie der Kreml seinen Krieg gegen die Ukraine nennt – werben, ist zurückgegangen.
Kreml-Insider sagen, dass die auffälligen Anzeigen der Stadt viele Rekruten anzogen. Die kommen aber gar nicht aus Moskau, sondern aus anderen Regionen – und melden sich in Moskau, da sie dort höhere Anmeldeprämien erhalten. Das führt wiederum dazu, dass andere Regionen Schwierigkeiten haben, ihre Quoten zu erfüllen. Meduza sprach mit Regierungsvertretern, um zu erfahren, was hinter den Veränderungen steckt (englischer Text).
Ein Beamter der Stadtverwaltung bestätigte die Reduzierung der Rekrutierungsbemühungen: Es gebe bereits genug Leute, die an die Front geschickt werden. Quellen, die Putins Regierung nahestehen, gaben ähnliche Erklärungen ab: „Es gibt genug Rekruten“, sagt einer. Es gehe außerdem nicht nur darum, Leute zu rekrutieren – man müsse sie auch bewaffnen können.
Auf Moskau und die umliegende Region entfallen rund 20 Prozent aller russischen Vertragssoldaten, die an der Front eingesetzt werden. Die meisten dieser Männer stammen jedoch aus anderen Teilen Russlands, da für die Rekrutierung kein Nachweis des Wohnsitzes erforderlich ist. Viele von ihnen werden durch die beträchtlichen Einberufungsprämien angelockt: 1,9 Millionen Rubel (ca. 18.300 US-Dollar) in Moskau und 2,3 Millionen Rubel (ca. 22.200 US-Dollar) in der Region Moskau. In anderen Regionen wird weniger geboten.
Gleichzeitig hat das russische Militär zunehmend mit Ausrüstungsengpässen zu kämpfen. Bisher wurden die Verluste an Waffen durch den Rückgriff auf Bestände aus der Sowjetzeit ausgeglichen. Satellitenbilder zeigen jedoch, dass diese Reserven nach drei Kriegsjahren nahezu aufgebraucht sind.
Wer war der getötete General Kirillov?
Igor Kirillov, Leiter der Russlands Strahlen-, chemischen und biologischen Verteidigungskräfte, wurde in Moskau getötet. Er kam in der Nähe eines Hauses am Rjasanskij Prospekt ums Leben, als eine an einem Motorroller befestigte Bombe explodierte. Meduza fasst die wichtige biografischen Daten von Kirillov zusammen – sowie seine Aussagen im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine (russischer Text).
Seit dem Ausbruch des Krieges im Februar 2022 hat Kirillov regelmäßig Briefings abgehalten, in denen er die USA und die Ukraine beschuldigte, „biologische Waffen“ einzusetzen, die in Biolabors in Kyjiw hergestellt worden seien. Kirillov wurde von der Ukraine und dem Vereinigten Königreich mit Sanktionen belegt.
Die Zeitung Ukrayinska Pravda, der russische Dienst der BBC sowie Reuters zitierten eine Quelle in den Sicherheitsdiensten. Die erklärte, dass die Tötung Kirillovs eine spezielle Operation des Ukrainisches Sicherheistdinestes (SBU) gewesen sei. „Kirillow war ein Kriegsverbrecher und ein völlig legitimes Ziel, weil er den Befehl zum Einsatz verbotener chemischer Waffen gegen das ukrainische Militär gegeben hatte“, so die Quelle.
Wie steht es um Russlands Wirtschaft – und Währung?
Ende des Jahres erlebte die russische Regierung eine unangenehme Überraschung: Die Inflation begann sich plötzlich zu beschleunigen und lag deutlich über den Prognosen. Der Dollar stieg deutlich an. Die Zentralbank sah sich gezwungen, den Leitzins auf ein Rekordniveau in der jüngeren Geschichte anzuheben. Das sorgt bei den Unternehmen für Unzufriedenheit. Gleichzeitig beharrt Wladimir Putin darauf, dass die Versuche „der westlichen Länder, Russland eine strategische Niederlage an der Wirtschaftsfront zuzufügen“, gescheitert seien. Meduza erklärt, was in der russischen Wirtschaft im Jahr 2024 tatsächlich geschah und welche Prognosen für 2025 getroffen werden können (russischer Text).
Für die Prognosen ist auch der weltweite Rohstoffmarkt relevant: Der künftige US-Präsident Donald Trump will diese erhöhen. Die Regierungen von Brasilien und Kanada haben die gleichen Absichten. Unter sonst gleichen Bedingungen wird dies den Angebotsüberschuss erhöhen, der Preis für Rohstoffe wird also allmählich sinken. Wenn ein Barrel der Sorte Brent derzeit mit 75 US-Dollar gehandelt wird, wird der Preis im nächsten Jahr wohl unter 70 US-Dollar fallen, so die US-amerikanische Geschäftsbank J.P. Morgan. Einigen Schätzungen zufolge könnte er aber auch auf 40 US-Dollar fallen.
Wirtschaftswissenschaftler sprechen deswegen zunehmend von Stagflation. Dabei handelt es sich um eine Situation, in der eine hohe Inflation von einer Rezession, also einem Rückgang der Wirtschaftstätigkeit, begleitet wird.