Strategien der Klimabewegung: Populismus oder Preppen?

W as tun, wenn’s brennt, aber alle weiter kokeln? Aktuell kann man dabei zusehen, wie mit Los Angeles auch ein medialer Sehnsuchtsort der Deutschen abbrennt, und trotzdem spielt die Klimakrise im Wahlkampf kaum eine Rolle. Selbst die Grünen haben ihre klimapolitischen Ziele im Wahlprogramm im Kapitel zur Wirtschaftspolitik versteckt. Die Parteien der sogenannten Mitte haben sich stillschweigend verständigt: Klimapolitik darf niemandem wehtun.

Wie kann die gesellschaftliche Linke damit umgehen? Dazu erscheinen aktuell interessante Beiträge. Grob zusammengefasst bilden sich zwei Richtungen heraus. Die eine will den Klassenaspekt der Klimakrise hervorheben und sie so wieder politisieren. Die andere will die Unabwendbarkeit der Katastrophe akzeptieren und daraus neue Kraft ziehen.

In einem Beitrag für das Surplus-Magazin schreiben Linus Westheuser und Johanna Siebert über den ersten Ansatz, den sie Klimapopulismus nennen. Die Parteien der Mitte, so die AutorInnen, würden annehmen, dass Klimapolitik erfolgreich sei, wenn sie möglichst wenig politisiert werde, sondern technische Lösungen in den Vordergrund gestellt würden.

Dies sei aber ein Zeichen der eigenen Schwäche – und ein Trugschluss: Spätestens der europäische Emissionshandel werde die Preise für die Mehrheit so stark erhöhen, dass Klimapolitik wieder einmal als Elitenprojekt wahrgenommen werde. Wenn nun die demokratischen Parteien versuchten, den Klimaschutz als unpolitisches Projekt zu vertuschen, überlasse man es der Rechten, eine Sprache für Wut und Angst vor Veränderung zu finden.

taz Themenwoche Klima

Im Wahlkampf spielt die Klimakrise keine große Rolle. Dabei schreitet die Erderhitzung weiter voran. Die taz schaut in dieser Woche dahin, wo es brennt. Alle Texte zum Thema finden Sie hier.

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Profiteure der Krise

Linker Klimapopulismus soll die Verteilungsfragen der Klimakrise offensiv formulieren: Der Hälfte der Gesellschaft, die notgedrungen schon heute innerhalb der Grenzen lebt, die der Planet noch verkraften kann, muss er ein besseres, günstigeres Leben ermöglichen, statt abstrakt die Zukunft der Menschheit anzurufen. Auf der anderen Seite sollen die Profiteure der Krise an den Pranger: fossile Unternehmen, die mit hohen Strom- und Gaspreisen Milliarden Gewinne machen.

Die Autoren sehen hier großes Potenzial. Sie zitieren eine französische Studie, die zeigte, dass die Zustimmung zu einem Tempolimit von 110 km/h deutlich steigt, wenn sie mit einem Verbot von Privatjets verbunden wird.

Der Ansatz, Klimapolitik und populistische Verteilungsfragen zu verbinden, findet sich auch bei Fridays for Future. Im Wahlkampf stellt die Bewegung einige Forderungen, darunter anders als in den vergangenen Jahren eine Steuer für „Superreiche“. Auch die Linkspartei versucht sich im Wahlkampf mit Klimapopulismus. Besonders überzeugend ist das bisher nicht. So steht auf dem Plakat, mit dem die Partei ihren Klimaschutz auf die Straße trägt: „Steht dein Dorf unter Wasser, steigen Reiche auf die Yacht“.

Das Beispiel zeigt, dass auch Populismus ein ehrbares Handwerk ist, das gelernt sein will. Denn wer soll hier angesprochen werden? Den meisten WählerInnen in Deutschland lässt die Klimakrise nicht das Dorf absaufen. Es wird auch nicht deutlich, was die Mehrheit davon hätte, dem Reichen seine Yacht abzunehmen: Höhere Deiche?

Unabwendbarkeit der Krise akzeptieren

Konkret fordert die Linkspartei einen kostenlosen ÖPNV, ein günstiges Grundkontingent für Strom und Gas und „ein Verbot von Privatjets und Yachten“ ab 60 Metern (kleinere sind offenbar okay). Ansonsten finden sich abstrakte Forderungen, die von den Grünen kommen könnten: ein Klimageld, ein Strukturwandel, der „angepackt“, und eine Agrarwende, die „eingeleitet“ werden solle.

Nun liegt die Krise der Linkspartei sicherlich nicht in ihrer Klimapolitik begründet. Andersrum kann man nicht behaupten, dass dieser zaghafte Ansatz von Klimapopulismus bisher erfolgreich ist. Doch wenn Populismus nicht fruchtet, wenn die Klimakrise eben längst da ist, was dann?

Hier kommt der zweite Ansatz ins Spiel. Dem zufolge ist das Scheitern der Klima­politik kein handwerkliches Problem, sondern strukturell. Die „Arschlochgesellschaft“, so bezeichnet es der Aktivist Tadzio Müller, ist demnach so gut im Verdrängen, weil in Deutschland selbst Arbeiter und eben nicht nur die Reichen Profiteure des fossilen Lebensstils sind. Diese Komplizenschaft überdecke den Klassencharakter der Krise.

In der Linken sprechen sich einige Stimmen deshalb dafür aus, die Unabwendbarkeit der Krise zu akzeptieren und die begrenzte Kraft darauf zu verwenden, sich solidarisch auf die kommenden Katastrophen vorzubereiten. Dieser Erkenntnis folgt auch die Letzte Generation. Ihr Ansatz, die Klimakrise durch Eingriffe in den Alltag unverdrängbar zu machen, ist gescheitert.

Zurück in die Alternativbewegung?

Die Bewegung hat zwar noch nicht verraten, welchen neuen Namen sie sich geben will. Sprecherin Carla Hinrichs sagte im Interview mit dem Spiegel: „Wir waren die letzte Generation vor den Kipppunkten. Heute können wir nicht mehr sicher sein, dass das stimmt.“ Hinrichs sagt, in der Krise werde es zu Brüchen kommen und das Wirtschaftssystem Risse bekommen. „Wir haben ein riesiges Kartenhaus gebaut, das jederzeit zusammenstürzen kann.“

Darauf vorbereitet seien aber derzeit nur jene, die die Demokratie abschaffen wollten. Das will die Bewegung ändern. Wie genau das aussehen könnte, lässt Hinrichs im Interview offen. In ihrem einzigen konkreten Beispiel klingt wenig politische Sprengkraft an: Bei 40 Grad nach der Oma nebenan zu schauen, ob diese vielleicht Hilfe brauche. Doch auch andere Gruppen setzen auf die gegenseitige Unterstützung in der Nachbarschaft, ob gegen den Stromausfall nach einem Sturm oder bei Wohnungsnot nach einem Hausbrand.

Steckt in diesem Fokus auf die lokale Gemeinschaft ein subversives Potenzial oder ist es ein Rückzug ins Halbprivate, bei dem AktivistInnen Aufgaben übernehmen, die ein kollabierender Sozialstaat nicht mehr stemmen kann?

Dieser Widerspruch ist nicht neu. Jan Ole Arps erinnert in der analyse+kritik kürzlich daran, dass sich die Linke nicht das erste Mal nach einem Scheitern „nach innen“ wendet. Gewerkschaften wird schon seit ihrer Gründung „Reformismus“ vorgeworfen. Und auch als nach 1968 der Traum von der Revolution ausgeträumt war, fingen Linke an, das bessere Leben für alle im Kleinen zu versuchen: in Hausprojekten, Kinderläden, Kollektivbetrieben.

Oft waren sie damit erfolgreich, veränderten die Pädagogik und die Kultur am Arbeitsplatz. Doch ihre besten Ideen konnten umso leichter vom dynamischen Kapitalismus vereinnahmt werden, wie die Unternehmer des Silicon Valley zeigen, die einst ein Produkt der Gegenkultur waren und sich nun Donald Trump unterwerfen.

Was hilft gegen die Klimakrise: Populismus oder Preppen? Es wird wohl beide Ansätze brauchen. Und es ist gut, dass die Linke nach einigen Jahren der Ratlosigkeit in dieser Frage in Bewegung ist. Denn auf die Grünen sollte man sich besser nicht verlassen.

  • informationsspiegel

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