M argot Friedländer ist tot. Die Holocaust-Überlebende, Zeitzeugin, vor allem aber unermüdliche Mahnerin an die Menschlichkeit ist am Freitag im Alter von 103 Jahren gestorben. Es gab unzählige Reaktionen aus fast allen Bereichen von Politik und Kultur auf diese Nachricht. Sie sind, so traurig es ist, auch ein Zeichen der Hoffnung. Denn wenn sich ein Land, eine Gesellschaft auf die Werte dieser unglaublichen Frau einigen kann, dann heißt das ja auch, dass das Gespür, das Verlangen nach grenzenloser Humanität immer noch stark, tief in uns verwurzelt ist.
Igor Levit hat es in seiner äußerst bewegenden, spontanen Rede bei der Verleihung des Fernsehpreises auf den Punkt gebracht. Es gebe keine Rechtfertigung, auch nur einen Millimeter jenen zu überlassen, die zerstören wollen, wofür Margot Friedländer gestanden habe, sagte der Pianist und fügte hinzu: Ihre Existenz sei eine Aufforderung, ihr gerecht zu werden.

Igor Levit auf der Bühne vor einem Foto von Margot Friedländer
Davon aber sind wir aktuell weit entfernt. Denn Margot Friedländer hat nicht nur immer wieder die jetzt zurecht über vielen Nachrufen stehende Bitte verkörpert: Seid Menschen! Sie hat, angesichts des wieder erstarkenden Antisemitismus und Neonazismus, auch ihre Enttäuschung benannt: „Ich bin entsetzt, dass Menschen nicht gelernt haben, dass sie Menschen sein sollen.“ Wer das Andenken an Margot Friedländer hochhalten will, muss daher auch ihre Angst ernst nehmen, dass „es“ sich wiederholen könnte.
Es heißt nicht „Wehret den extremen Auswüchsen“
Faschismus, das wird viel zu häufig vergessen, beginnt ja nicht erst beim Holocaust, bei der industriellen Vernichtung von Menschen – sondern viel früher. Und es heißt nicht „Wehret den extremsten Auswüchsen!“, sondern „Wehret den Anfängen!“. Deshalb ist es nicht nur selbstverständlich höchste Zeit, das AfD-Verbotsverfahren einzuleiten.
Deshalb ist es nicht nur das Gebot der Stunde, jeder Art von Rassismus und Antisemitismus entgegenzutreten. Vor allem aber wäre es höchste Zeit, das Asylrecht wieder ernst zu nehmen. Das wurde nicht nur als ein Recht für Verfolgte ins Grundgesetz platziert, das politische Mehrheiten einfach so zurücknehmen könnten. Es steht dort viel mehr als Stolperstein für ein zum Glück durch andere vom Faschismus befreites Land.

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Margot Friedländer hat uns ihre Geschichte anvertraut. Es ist unsere Aufgabe und unsere Pflicht, sie weiterzutragen. Diese beiden Sätze hat Bundeskanzler Friedrich Merz nach ihrem Tod geschrieben. Aber wenn die junge Margot Friedländer heute an den Grenzen der Bundesrepublik um Asyl bitten würde, würde sie abgewiesen.
Sie würde nicht in den Tod geschickt, sie könnte ihr Glück in einem anderen EU-Land suchen. Diese Abweisung ist kein Ausdruck rechtsextremer, faschistischer Politik, auch wenn sie der AfD sehr zupasskommt. Aber sie ist die fatale Konsequenz aus der knallharten Antimigrationspolitik der schwarz-roten Bundesregierung. Sie wird den Lehren aus der Zeit des Nationalsozialismus nicht gerecht – nicht einmal in ihren wohlfeilen Trauerbekundungen auf Margot Friedländer.







