Weniger Millionäre in Deutschland: Die armen Reichen

Das ist wirklich mal ein Problem von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung. Es gibt in Deutschland deutlich weniger Millionär:innen. Im vergangenen Jahr ist ihre Zahl um 41.000 gesunken – das waren 2,5 Prozent weniger als im Vorjahr. Das geht aus dem World Wealth Report 2025 hervor, den das Capgemini Research Institute am Mittwoch veröffentlicht hat.

Ganz anders sieht es global aus. Da ist die Zahl der Mil­lio­nä­r:in­nen um 2,6 Prozent gestiegen. Und die Zahl der superreichen Mul­ti­mi­lio­nä­r:in­nen stieg weltweit sogar um mehr als 6 Prozent. Droht den Reichen in Germany also der Absturz in die Armut? Und wie passt das zu den von Rekord zu Rekord kletternden Aktienkursen?

Eine genauere Betrachtung der Zahlen führt zu durchaus überraschend erscheinenden Ergebnissen – und zum Ansatz für eine Umverteilungspolitik, die selbst die scheinbar gut Betuchten befürworten könnten. Denn Millionäre sind heutzutage auch nur noch etwas reichere arme Schlucker.

Glücksspielanbieter haben das längst durchschaut. Mit dem Millionärsversprechen locken sie niemanden mehr zum Zocken. Um die Massen kirre zu machen und in die Irre zu leiten, müssen schon 100 Millionen im Jackpot liegen. Denn mit der „Million“, die vielen bis heute als Benchmark für den irreversiblen Ausbruch aus allen Existenzsorgen gilt, kommt man nicht mehr weit.

Eine Million für eine Wohnung

Wer sich zum Beispiel in Städten wie Berlin, München oder Hamburg eine familiengerechte Wohnung zulegen will, um sich der Vertreibung durch Spekulation zu erwehren, muss dafür schnell mal eine Million auf den Tisch legen. Das Geld ist zwar nicht weg, aber nicht mehr frei verfügbar fürs fröhlich Geld vermehrende Spekulantentum auf Kosten anderer. Und deshalb zählt es für die Statistiken von Capgemini nicht mehr. Wer dort als HNWI, als High-Net-Worth-Individual, also als vermögende Privatperson, gezählt werden will, muss schon eine Million Dollar flüssig haben.

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Die Normalmil­lio­nä­r:in­nen sind zum potenziellen Partner der Solidarität geworden

Für die breite Masse der Normal­verdiene­r:innen, die nicht mal davon träumen dürften, auch nur in die Nähe eines siebenstelligen Finanzvermögens zu kommen, selbst wenn sie so viel schuften würden, wie Bundeskanzler Friedrich Merz das gerne hätte, mag das zynisch erscheinen. Aber selbst die Normalmil­lio­nä­r:in­nen sind mittlerweile zum potenziellen Partner der Solidarität geworden – zumindest die, die Be­ra­te­r:in­nen vom Capgemini als „Millionaires Next Door“ einstufen, weil sie nicht mehr als 5 Millionen auf der Kante haben.

Denn nur deren Zahl ist im vergangenen Jahr verantwortlich gewesen für den Rückgang der Mil­lio­nä­r:in­nen in Deutschland. Capgemini nennt als Hauptgrund dafür die wirtschaftliche Stagnation in den größten Ländern Europas.

Trotz dieser Stagnation ist das Gesamtvermögen der Reichen aber noch gestiegen. Anders gesagt: auch unter den Extremkapitalbesitzern konzentriert sich das Geld immer mehr auf die wenigen ganz, ganz oben. Den Nor­mal­mil­lio­nä­r:in­nen geht die Puste aus, und die Superreichen werden noch superreicher.

Die Analysten von Capgemini nennen sie die „Ultra-High-Net-Worth Individuals“. Die Zahl dieser Ultras mit jeweils mehr als 30 Millionen Dollar auf der Kante ist europaweit im letzten Jahr um 3,5 Prozent gestiegen, ihr Gesamtvermögen aber gleich um mehr als 6 Prozent.

Der Sack Reis füllt sich

Die Dimensionen, in denen sich diese Ultras bewegen, hat die Entwicklungsorganisation Oxfam kürzlich in einem Video sehr anschaulich gemacht – anhand von Reiskörnern. Wenn ein Korn einem Vermögen von 100.000 Euro entspricht, kommt ein Millionär auf 10 Reiskörner. Ein Ultra käme auf mindestens 300. Ein Milliardär sogar auf 10.000!

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Oxfams Erklärvideo zu Millionen und Milliarden

Oxfams Erklärvideo zu Millionen und Milliarden

Damit ist klar: Die Grenze zwischen Arm und Reich verläuft nicht zwischen Bür­ger­geld­emp­fän­ge­r:in und Topverdiener:in, sondern zwischen Mil­lio­nä­r:in und Mul­ti­mil­lio­nä­r:in – zumindest für eine Umverteilungspolitik, die eben nicht den Normalmillionären Angst um ihr Erspartes macht, sondern dort ansetzt, wo das Geld sich wie in prall gefüllten Reissäcken staut: bei den wirklich Reichen – mit der überfälligen Milliardärssteuer.

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