Familie und Flüchtlingsrat protestieren: Abschiebung in den Femizid?

Berlin taz | Am frühen Morgen des 4. Juni klopfte es an der Tür von Frau B. in Nürnberg. Die Polizei stand in ihrem Zimmer. Kurz darauf wurde die 67-jährige Iranerin in Abschiebehaft nach Hof gebracht. „Sie durfte nicht einmal ihre Sachen packen“, erzählt ihre Nichte der taz. „Ihr wurden Handschellen angelegt, und sie haben ins Polizeiauto gebracht.“ Am kommenden Mittwoch soll Frau B. nach dem Iran abgeschoben werden – in ein Land, das sie vor 14 Jahren verlassen hat, um der Gewalt ihres Ehemanns zu entkommen.

Die Familie von Frau B. berichtet, dass der Ex-Mann von der bevorstehenden Abschiebung erfahren habe. Er habe über ihren Sohn erneut Todesdrohungen ausgesprochen: Er freue sich, dass seine Frau herkomme, sie solle jedoch schon mal ihr Testament schreiben. „Ich habe wirklich Angst um ihr Leben“, sagt die Nichte mit zitternder Stimme.

Frau B. sei jung zwangsverheiratet worden. „Sie hat sehr früh gemerkt, dass dieser Mann kein liebevoller Ehemann ist, sondern gewalttätig.“ Selbst von ihrem Vater bekam sie keine Hilfe. Eine Scheidung war für Frau B. nie möglich: In der Islamischen Republik Iran muss der Mann zustimmen. Bis heute gilt sie dort rechtlich als mit ihm verheiratet. Schutz oder ein familiäres Netz im Iran gibt es für sie nicht mehr – ihre Angehörigen leben fast vollständig in Deutschland.

Trotz jahrelanger Bemühungen wurde Frau B. vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge kein Schutzstatus zuerkannt. Seit 2013 versucht sie, ihre Verfolgungsgründe geltend zu machen. Auch gesundheitliche Gründe führten nicht zu einem Bleiberecht: Obwohl eine mittelschwere Depression ärztlich diagnostiziert wurde, erfüllten die Atteste nicht die hohen gesetzlichen Anforderungen.

Hinzu kommt eine Bewährungsstrafe aus dem Jahr 2019. Damals erhielt Frau B. wegen Passlosigkeit und unerlaubten Aufenthalts einen Strafbefehl über drei Jahre auf Bewährung. Solche Verfahren werden laut dem Bayerischen Flüchtlingsrat häufig eingestellt, da die Beschaffung iranischer Ausweisdokumente als unzumutbar gilt. Der Iran verlangt dafür die Abgabe einer Reue- und Freiwilligkeitserklärung. Frau B. hatte gegen den Strafbefehl aber keinen Widerspruch eingelegt – aus Angst vor den finanziellen Folgen. Nun gilt sie in Deutschland als Straftäterin.

23 Femizide in einem Monat

„Bayerische Behörden kon­struieren eine sogenannte Straftäterin, um sie bedenkenlos abzuschieben“, sagt Johanna Böhm vom Bayerischen Flüchtlingsrat. „Es ist ein Skandal, dass Bayern eine von Gewalt betroffene Frau in ein Land abschiebt, das selbst systematische Gewalt gegen Frauen ausübt.“

Die Menschenrechtslage im Iran bleibt alarmierend. Laut der Menschenrechtsorganisation Hengaw wurden dort allein im Mai 23 Femizide erfasst. ­Zudem wurden mehr als 550 Hinrichtungen in den ersten fünf Monaten des Jahres ­dokumentiert. Dennoch wurde der Abschiebestopp Ende 2023 nicht verlängert. Im ersten Quartal 2025 wurden bereits fünf Menschen nach dem Iran abgeschoben.

„Frau B. wäre erneut der Gewalt ihres Ex-Mannes ausgesetzt – mit potenziell tödlichen Folgen“, so Böhm. „Geschlechtsspezifische Gewalt wird in vielen Fällen immer noch nicht ernst genommen. Das muss sich endlich ändern.“

Der Gesundheitszustand von Frau B. hat sich in der Abschiebehaft verschlechtert – vor allem psychisch. „Sie fühlt sich wie ein Schwerverbrecher, wie ein Mörder, der weggesperrt wurde“, erzählt die Nichte. „Sie sperren die Zelle nachts tatsächlich ab. Ihr geht es überhaupt nicht gut.“

Sie fordert politische Unterstützung für ihre Tante. „Ich weiß nicht, wie der deutsche Staat sich das verzeihen kann, wenn sie ermordet wird“, klagt sie und betont gleichzeitig: „Meine Tante ist kein Einzelfall“. Sie fordert: Politik soll Frauen stärken, die sich in schwierigen Situationen befinden.

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