Abschiebeflug nach Afghanistan: Symbolpolitik mit gefährlichen Konsequenzen

E s ist wohl kein Zufall, dass der Abschiebeflieger nach Kabul ausgerechnet an diesem Freitag abhob. Lange war bekannt, dass die Bundesregierung diesen Schritt so bald wie möglich gehen will. Immer wieder hatte es Gerüchte über einen möglichen Termin gegeben. Jetzt also an dem Tag, an dem sich Bundesinnenminister Alexander Dobrindt mit seinen Amtskollegen aus Frankreich, Polen, Österreich, Dänemark und Tschechien auf der Zugspitze trifft, um über die großen Linien der Migrationspolitik zu beraten.

Das ist ein bewusst gesetztes Symbol: Seht her, die Bundesregierung setzt die versprochene „Asylwende“ weiter konsequent um – nicht nur durch gemeinsames Absprachen auf EU-Ebene, sondern auch ganz konkret. Ein willkommener Nebeneffekt dürfte sein, dass die Abschiebe­aktion die öffentliche Aufmerksamkeit von dem Desaster um die Verfassungsrichter*innen-Wahl ablenkt.

Der menschenrechtlich fragwürdige Abschiebe-Stunt enthüllt die Substanzlosigkeit, die die deutsche und die ganze europäische Migrationspolitik prägt. Es geht weniger um die Abschiebung an sich als um das Symbol, dass abgeschoben wird. Die praktischen Auswirkungen sind dabei im Grunde egal.

Um Sicherheit geht es nicht

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Denn sicherer wird Deutschland durch die Abschiebung der 80 afghanischen Straftäter bestimmt nicht. Zwar liefen die Abstimmungen mit dem Taliban-Regime dieses Mal noch über Katar. Doch auch das verschafft den Islamisten die internationale Anerkennung, nach der sie so verzweifelt streben. Sie wollen raus aus dem Paria-Status. Und die deutschen Kontakte nach Afghanistan werden zunehmend enger.

Erklärtes Ziel der Bundesregierung ist es, einen­ dauerhaften Abschiebemechanismus zu etablieren. Es ist ein offenes Geheimnis, was die Taliban dafür fordern: konsularische Vertretung in Deutschland. Geht die Bundesregierung diesen Weg weiter, dann hilft sie den Islamisten, ihre Machtbasis in Afghanistan zu festigen und mit einem Konsulat womöglich eine Basis in Deutschland zu schaffen.

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Alles, was die Taliban stärkt, ist schlecht für die globale Sicherheitslage

Zur Erinnerung: Die Taliban sind Islamisten, die man mit Fug und Recht als die Feinde der aufgeklärten Gesellschaft betrachten darf. Sie verachten die Demokratie und Menschenrechte, unterdrücken Frauen brutal. Sie gewährten Osama bin Laden Unterschlupf. Die Bundeswehr hat zusammen mit ihren Verbündeten über ein Jahrzehnt Krieg gegen sie geführt.

Jede Maßnahme, die die Taliban stärkt, ist schlecht für die Sicherheits- und Menschenrechtslage im Nahen Osten und auf der ganzen Welt. Und dass dies irgendwann auf Deutschland und seine Verbündeten zurückschlagen wird, ist offensichtlich. Sei es in Form von islamistischer Propaganda, die ihren Weg über tausende Kilometer in die deutsche Gesellschaft findet, durch dschihadistische Attentäter oder durch neue Megakrisen in Nahost. Dobrindt sollte gut darüber nachdenken, ob seine symbolische Abschiebepolitik einen solchen Preis wert ist.

  • informationsspiegel

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