Apple TV+ verschiebt „The Savant“: Der Jimmy Kimmel-Effekt

Eigentlich sollte Jodi Goodwin (Jessica Chastain) ab Samstag im Internet auf Nazi-Jagd gehen. Aber der Streamingdienst Apple TV+ hat sich dazu entschieden, die Serie „The Savant“ noch vor dem Start kurzfristig aus dem Programm zu nehmen. Mit den wenig aussagekräftigen Worten „Nach reiflicher Überlegung haben wir die Entscheidung getroffen, The Savant zu verschieben. Wir schätzen Ihr Verständnis und freuen uns darauf, die Serie zu einem späteren Zeitpunkt zu veröffentlichen“ wird ein Achtteiler verschoben, der aktueller nicht sein könnte. Denn es geht um politische Gewalt in den USA, genauer gesagt um den politischen Rechtsruck, um die damit verbundene rechte Terrorgefahr und um die Frage, wie damit umgegangen wird.

Vermutlich hängt die Entscheidung von Apple TV+ mit dem tödlichen Anschlag auf Charlie Kirk und der derzeit aufgeheizten politischen Stimmung in den USA zusammen, die zuletzt in der Auseinandersetzung um die Late-Night-Show „Jimmy Kimmel Live!“ eskalierte. Hauptdarstellerin Jessica Chastain betont in ihrem Instagram-Post, dass sie die Entscheidung von Apple TV+ zwar respektiert, aber nicht richtig findet. „Obwohl ich wünschte, dass diese Serie nicht so relevant wäre, ist es leider so“, schreibt sie. „Bei The Savant geht es um die Helden, die jeden Tag daran arbeiten, Gewalt zu stoppen, bevor sie stattfindet.“

„The Savant“ basiert auf einer 2019 im Cosmopolitan erschienenen Reportage mit dem Titel „Is It Possible to Stop a Mass Shooting Before It Happens?“, die davon erzählt, ob und wie Anschläge rechter Terroristen durch Online-Recherchen im Vorfeld verhindert werden können. Dabei fächert die Serie ein ganzes Panorama rechtsextremer Ideologie in den USA auf und erzählt vom zivilgesellschaftlichen Engagement gegen rechts.

Ein Stück weit erinnert die Serie mit ihrem Ansatz an die kürzlich angelaufene dreiteilige Arte-Doku „World White Hate“ über die globale rechte Terrorgefahr. Dort tauchen immer wieder zwei Protagonisten (ein FBI-Ermittler und ein NGO-Mitarbeiter) auf, die wie Jodi Goodwin Nazis im Netz jagen. Auf diese Art outen sie rechtsextremistische Polizisten oder kommen militanten Gruppen auf die Spur, die Anschläge planen. Die Serien-Fiktion ist also recht nah an der Realität dran.

Was genau den Ausschlag für die Absetzung gab, ist unklar. Es gibt in der Serie keine fiktive Person, die einer realen ähnelt. Geht es um die Darstellung politischer Gewalt, die man dem Publikum derzeit nicht zumuten will? Oder will man lieber keine fiktive Inszenierung eines rechten Amerika zeigen? Der Vorgang wirkt wie Selbstzensur. Als gälte es mit faschismuskritischen oder antifaschistischen Narrativen in den USA gerade sehr sorgsam umzugehen.

Das ließe sich auch aus dem Trailer des Anfang November ins Kino kommenden Films „The Change“ schließen, der in den USA „Anniversary“ heißt und vom Entstehen einer neofaschistischen Bewegung erzählt. Im zensierten US-Trailer wirkt der Film wie ein Familien-Psycho-Horror-Streifen. Explizit Politisches, etwa dass die Schwiegertochter in spe eine rechtsextremistische Buchautorin ist, ist im deutschen Trailer zu sehen, in der US-Version wurde das mit wenigen Cuts allerdings rausgeschnitten. Woher kommt der vorauseilende Gehorsam? Liegt das auch daran, dass Donald Trump die Antifa diese Woche zur terroristischen Organisation erklärt hat?

Die Filmbranche hat seit Trumps erster Amtszeit jede Menge antifaschistischer Helden in Szene gesetzt von „Watchmen“ über „The Plot against America“ bis zuletzt Robert De Niro in „Zero Day“, um nur einige Serien zu nennen. Ist das jetzt vorbei? Kuscht die Film- und Serienbranche? Bleibt zu wünschen, dass Jodi Goodwin doch noch irgendwann startet, denn die Serie wäre absolut sehenswert und hat – wie die Hauptdarstellerin ganz richtig betont – leider hohe Relevanz.

  • informationsspiegel

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