Proteste in Madagaskar: Die Jugend verlangt Wasser und Strom

Antananarivo taz | Stromausfälle, Wasserknappheit, Polizeibrutalität – das sind die Auslöser der Unruhen, die in Madagaskars Hauptstadt Antananarivo am 22. September begannen und sich seitdem auf das ganze Land ausgeweitet haben.

Die Zahl der Getöteten und Festgenommenen ist unbekannt, aber das Ausmaß der Verwüstung in Antananarivo ist deutlich. Läden wurden geplündert, Häuser im Besitz von Regierungspolitikern angegriffen.

An vorderster Front stehen Jugendliche, die sich „Generation Z“ nennen, so wie die Jugendprotestbewegung, die vergangenes Jahr Kenia erschütterte. Sie mobilisierten zunächst mit der Parole „Schluss mit den Ausfällen“, weil es 12 Stunden am Tag keinen Strom gibt. Dann weitete sich der Protest aus und ergriff weitere Städte.

„Wir fordern nur unsere Grundrechte ein: sauberes Wasser und verlässlichen Strom“, sagt Mirindra Rakotovao in Antananarivo. „Wir haben die Unfähigkeit eines Staatschefs satt, der keine Prioritäten setzen kann und das Land ins Chaos geführt hat.“

Präsident Rajoelinas schwerste Krise

Es ist die schwerste Krise für Madagaskars Präsident Andry Rajoelina seit seiner Amtsübernahme 2019. Die Proteste spitzten sich zu, als er vergangene Woche außer Landes war – in New York zur UN-Vollversammlung.

In der Hauptstadt verhängten die Behörden am Donnerstag eine nächtliche Ausgangssperre und kappten das Internet. Die Sicherheitskräfte wurden beschuldigt, neben Tränengas auch scharfe Munition gegen Demonstranten einzusetzen, die brennende Straßensperren errichtet hatten.

Am Sonntag traf sich der heimgekehrte Präsident mit den Spitzen der Sicherheitskräfte und wies sie an, die Ordnung wiederherzustellen. Und er wandte sich an die Öffentlichkeit: „Wir entwickeln dieses Land nicht mit einer destruktiven Mentalität. Wir sind Aufbauer, keine Zerstörer.“

Der 51-jährige Rajoelina ist seit 2019 Präsident und wurde 2023 zu einer zweiten Amtszeit wiedergewählt. Viele Oppositionsparteien boykottierten und zweifelten hinterher seinen Wahlsieg mit knapp 59 Prozent der Stimmen an.

Doch Rajoelina ist schon viel länger in der Politik aktiv. Als junger Unternehmer führte er das Land schon ab 2009 als Übergangspräsident bis 2014 nach einem Militärputsch gegen den vorherigen Präsidenten Marc Ravalomanana. 2018 gewann er die Präsidentschaftswahlen gegen Ravalomanana im zweiten Durchgang.

„Meinungsfreiheit ist ein Luxusgut“

Mittlerweile werfen ihm Kritiker vor, das Land von über 32 Millionen Einwohnern mit eiserner Faust zu regieren. „Meinungsfreiheit ist heute in Madagaskar ein Luxusgut, obwohl Artikel 10 unserer Verfassung sie garantiert“, sagt Aktivist Kema Sayan.

Eine im Internet entstandene Menschenrechtsgruppe „WhatsApp Antillaise“ hat die staatliche Repression kritisiert. „In Madagaskar werden Menschen erschossen, weil sie Wasser und Strom einfordern“, klagte sie. „Die Machthaber reagieren mit Repression, Ausgangssperre und Schweigen.“

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Die Gruppe zog Parallelen zur Unterdrückung von Protesten in französischen Überseegebieten wie Guadeloupe und Martinique – Madagaskar war einst französische Kolonie und noch heute hält Frankreich einige Inseln vor Madagaskar besetzt. „Wo die Menschen gegen Ungerechtigkeit aufstehen, antwortet der Staat mit dem Knüppel statt mit Dialog. Derselbe Kampf, dieselbe Missachtung, dieselbe Schande.“

Den Protesten begegnete Rajoelina am Freitag mit der Entlassung des Energieministers Olivier Jean-Baptiste. Von New York aus, wo er sich noch aufhielt, verurteilte er „Plünderungen und Gewalt“ und sagte: „Ich habe die Forderungen der Volksmehrheit gehört.“ Das beruhigte die Lage aber nicht.

Probleme mit dem staatlichen Versorger

Der staatliche Strom- und Wasserversorger Jirama arbeitet ineffizient und mit veralteter Infrastruktur und seine Preise decken längst nicht die Kosten. Korruption und Missmanagement sorgen für regelmäßige Skandale. Im vergangenen Jahr wurde ein ehemaliger Geschäftsführer des Staatsbetriebes deswegen verurteilt.

Die schwerste Dürre seit vierzig Jahren verschärft die Lage, da ein erheblicher Teil der Stromproduktion des Landes aus Wasserkraft kommt. Im armen Süden und Osten des Inselstaates breitet sich Hunger aus, sagen internationale Hilfswerke.

Ausländische Diplomaten sind alarmiert. Chinas Botschaft wies ihre Staatsbürger an, nur aus dringendem Grund auf die Straße zu gehen und Geschäfte zu schließen. Für Montag setzte die US-Botschaft alle Konsular­aktivitäten aus, in Erwartung erneuter Unruhen.

Mitarbeit: Dominic Johnson

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