Gaza-Krieg: Nicht das „Ende der Geschichte“

D er Politikwissenschaftler Francis Fukuyama erklärte 1989, die Welt habe das „Ende der Geschichte“ oder den „endgültigen Triumph der westlichen liberalen Demokratie“ erreicht. Laut Fukuyama seien alle tragfähigen systemischen Alternativen zum westlichen Liberalismus „völlig ausgeschöpft“, und die westliche Demokratie sei das Schicksal aller Nationen. Dies würde zum Weltfrieden führen. Befreit von ideologischen Rivalitäten und vereint durch internationale Marktkräfte gäbe es keinen Grund und kein Interesse mehr, Krieg zu führen.

Die folgenden Ereignisse – der Fall der Berliner Mauer, der Zerfall der UdSSR, Friedensinitiativen im Nahen Osten und demokratische Aufstände in ehemaligen Sowjetrepubliken – schienen seine These zu bestätigen. Das nächste Jahrzehnt war eine Zeit unglaublicher Hoffnung auf einen Frieden auf der Grundlage von Demokratie, insbesondere in Israel. Selbst als diese Hoffnung zu schwinden begann, blieb die offizielle Linie – vor allem in Europa – bestehen, dass Demokratie eine entscheidende Voraussetzung für dauerhaften Frieden sei.

Die Ankündigung eines Waffenstillstandsabkommens für Gaza durch US-Präsident Donald Trump, gefolgt von einem Gipfeltreffen in Scharm al-Scheich zur Zukunft des Gazastreifens, stellt Fukuyamas These infrage. Sowohl Trump als auch sein Mitgastgeber, der ägyptische Präsident al-Sisi, verwendeten Begriffe wie „Harmonie“, „Frieden“ und „Selbstbestimmung“, um die „neue Ära“ für den Nahen Osten zu beschreiben. Demokratie wurde jedoch nicht erwähnt.

Angefangen bei Präsident Trump selbst, waren die meisten Länder des Gipfels keine Befürworter der Demokratie: Unter den Teilnehmern befanden sich Vertreter der Golfstaaten, Ungarns Viktor Orbán, der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan, Italiens Giorgia Meloni und sogar Mahmud Abbas, der sich seit seinem Amtsantritt als Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde im Jahr 2005 weigert, Wahlen abzuhalten.



Bild: privat


Tamar Ziff

ist Redakteurin bei der israelischen Zeitung „Ha’aretz“ und lebt in Tel Aviv.

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Auch die Golfstaaten, die sich als Geldgeber für den Wiederaufbau des Gazastreifens präsentierten, sind äußerst problematisch. Katar beherbergt das politische Büro der Hamas und unterstützt diese Terrororganisation seit Jahrzehnten finanziell. Darüber hinaus soll das Land Millionen von Dollar an enge Vertraute Netanjahus gezahlt haben, um Katars Image in der israelischen und internationalen Öffentlichkeit aufzupolieren.

Es ging gar nicht um Frieden

Mit dem Waffenstillstandsabkommen verfolgte Trump nicht das Ziel einer demokratischen Zukunft für Gaza oder Israel, sondern vielmehr eine persönliche Kampagne, um seine Macht zu demonstrieren und zu erreichen, was der Biden-Regierung nicht gelungen war. Sein Mitgastgeber des Friedensgipfels, der ägyptische Präsident Abd al-Fattah as-Sisi, regiert sein Land seit über einem Jahrzehnt mit eiserner Faust.

Vor einigen Wochen schien das noch keine Rolle zu spielen: Ein sogenannter Frieden war erreicht, Europas zunehmend fragile Demokratien sahen tatenlos zu und bejubelten die Autokraten und Despoten – allen voran den US-Präsidenten.

Doch Israels jüngste Verstöße gegen die Waffenruhe zeigen, wie brüchig Trumps autokratischer Friedensansatz ist.

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Mit dem Waffenstillstandsabkommen gelang dem US-Präsidenten zwar die Rückkehr der lebenden Geiseln, die israelischen Streitkräfte zum Rückzug aus mehreren Gebieten im Gazastreifen zu bewegen und die Pläne der Netanjahu-Koalition für einen „vollständigen Sieg“ und eine erneute Besatzung zu stoppen – keine Kleinigkeit. Der US-Präsident ist jedoch ein langjähriger Unterstützer und Verbündeter des israelischen Ministerpräsidenten. Und er teilt dessen Abneigung gegen Rechtsstaatlichkeit, eine unabhängige Justiz und Pressefreiheit. Trump hat wiederholt gefordert, das laufende Korruptionsverfahren gegen Netanjahu, in dem ihm Bestechung und Betrug vorgeworfen werden, einzustellen und ihn zu begnadigen.

Ein Schutzschirm für Bibi

Während Israels Militäroperation im Gazastreifen wurde das Verfahren gegen Netanjahu weitgehend ausgesetzt. Nach Inkrafttreten des Waffenstillstands wurde es wieder aufgenommen, das Gericht lehnte Netanjahus Antrag auf Reduzierung der wöchentlichen Verhandlungstermine ab – ohne den Krieg schienen ihm die Ausreden auszugehen.

Dann wurde die Gerichtsverhandlung wieder aufgrund „Sicherheitsentwicklungen“ vorzeitig abgebrochen. Im Anschluss daran führte Israel nach einem Angriff auf einen israelischen Soldaten Luftangriffe auf Gaza durch. Trump verteidigte diese Angriffe mit den Worten: „Die Israelis haben zurückgeschlagen, und das sollten sie auch“, während er gleichzeitig behauptete, der Waffenstillstand sei nicht in Gefahr.

Offenbar lässt Trump Netanjahu hinsichtlich Israels Militäraktionen im Gazastreifen beträchtlichen Spielraum, während er gleichzeitig behauptet, Frieden sei erreicht. Dies entspricht Netanjahus politischer und juristischer Agenda. Je länger Israels Militäroperationen in Gaza andauern, desto länger kann Netanjahu seinen Prozess verzögern und desto länger können Minister seiner Koalition eine antidemokratische Agenda vorantreiben, während sich die öffentliche Aufmerksamkeit anderen Themen zuwendet.

Netanjahu war schon immer ein offen friedensfeindlicher Ministerpräsident. Daran hat sich nichts geändert. Seine enge Freundschaft mit Trump und seine Nähe zu den antidemokratischen Führern in Europa und im Nahen Osten bedeuten, dass ein wahrer Frieden in Gaza wohl ein Wunschtraum bleiben wird. Selbst wenn letztendlich ein Waffenstillstand erreicht wird, wird ein „neuer Naher Osten“ weit entfernt sein von Fukuyamas Vision vom Ende der Geschichte. Stattdessen ist eine zunehmend autoritäre Koalition noch erstarkt, vom Fluss bis zum Meer – und darüber hinaus.

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