Fake News auf KI-Websiten: Wie KI eine Journalistin zur Frau von Kontra K macht

Schon im Sommer hat Springer angekündigt, dass bei Texten ihrer Marken Politico, Welt und Co nun immer künstliche Intelligenz eingesetzt werden solle. Auch andere Medien sehen in der Technologie die Zukunft des Journalismus. Dass die Sorgen vor künstlicher Intelligenz im Journalismus jedoch berechtigt sind, zeigt ein skurriler, aber durchaus besorgniserregender Fall aus der Schweiz: KI-basierte „Nachrichtenseiten“ erfinden das Privatleben einer Journalistin neu. Plötzlich ist sie die Ehefrau des deutschen Rappers Kontra K.

„Kontra K und Celina Euchner sind seit mehreren Jahren ein Paar. Celina, die ursprünglich aus einer anderen Branche kommt, fand schnell ihren Platz an der Seite des Rappers“, heißt es auf einer dieser Seiten. Nur stimmt nichts davon. Celina Euchner ist weder die Partnerin des deutschen Rappers, Mutter seiner Kinder, noch Fitness-Influencerin, wie es in einigen dieser Artikel heißt. Euchner ist Redakteurin bei den Tamedia Publikationen, zu denen unter anderem der Tages-Anzeiger, die größte Qualitätstageszeitung der Schweiz, gehört. Vor vier Jahren interviewte sie Kontra K – dieses Interview ist der Ursprung der Falschnachricht, vermutet die Journalistin. Sie hat den Fakes hinterherrecherchiert.

Als Celina Euchner von einem Bekannten erstmals über die gefälschten Artikel informiert wird, ist sie geschockt. „In mir steigt Panik auf. Ich klicke mich durch Websites, sehe noch mehr Bilder von mir, geklaut aus Artikeln, die ich einst geschrieben habe, gescreenshotet aus Videos, die ich vor Jahren aufgenommen hab“, schreibt sie.

KI-generierte Pärchenbilder auf vermeintlichen Nachrichtenseiten

Solche Fake-Nachrichtenseiten mimen seriöse Medien, nennen sich „Havelzeitung“, „Heutemagazines“ oder „Layline“ und verbreiten Falschnachrichten. Auf „Layline“ wird etwa auch über den angeblichen Schlaganfall von Olaf Scholz Anfang November oder private Details über andere, teils erfundene Prominente berichtet. Die Au­to­r:in­nen heißen dort „Connie“ oder „Monroe“, mehr Details erfährt man über sie nicht.

In den Artikeln über Euchners angebliche Beziehung zu Kontra K findet man aber nicht nur „Infos“ über eine angebliche Ehe und Kinder der beiden, sondern auch vermeintliche Einblicke in das Gefühlsleben des nicht realen Paars: „Es ist interessant zu beobachten, dass ihre Verbindung über das Berufliche hinausgeht und sie eine tiefe emotionale Bindung teilen“, heißt es in einem Artikel.

Die Texte zeigen geklaute Bilder der Tages-Anzeiger-Journalistin, sind mit vermeintlich persönlichen Details gespickt und weisen die für KI-generierte Texte üblichen Zwischenüberschriften alle zwei, drei Absätze auf. Manche sind mit KI-Bildern versehen, die die Journalistin und den Rapper als Paar darstellen sollen, obwohl diese ihnen nicht einmal ähnlich sehen.

Nichts mehr als Fake-Tratsch könnte man meinen, allerdings haben diese Texte reale Konsequenzen für Celina Euchner: „Ich fühle mich bloßgestellt, irgendwie beschmutzt. Nichts davon stimmt, aber für wen spielt das eine Rolle?“. Für Menschen mit Medienkompetenz seien die schlecht erstellten Bilder und Texte leicht als Fälschung zu erkennen, meint Euchner. Ein paar Monate später jedoch wird sie von ihrer Patin nach ihrer Beziehung zu Kontra K gefragt. Mit Maximilian Diehn, so heißt Kontra K wirklich, möchte Euchner wegen frauenfeindlicher Texte und homophober Äußerungen lieber nicht in Verbindung gebracht werden, schreibt sie. Auch, weil sie dadurch ihre journalistische Glaubwürdigkeit bedroht sieht.

Das Ziel: Möglichst viel Geld verdienen

Mit der Zeit tauchen immer mehr KI-Texte über die angebliche Beziehung auf. Und: Die Falschinformationen nähern sich immer mehr dem Leben der echten Celina Euchner an: „Es sind Informationen, die online zugänglich sind, und es fühlt sich so an, als kämen mir die Lügenstorys immer näher. Als würde der Fake immer glaubwürdiger, weil nun ein Teil davon stimmt“, schreibt sie in der Süddeutschen Zeitung. Fans von Kontra K kontaktieren sie mittlerweile sogar über Social Media, bitten sie um Treffen mit dem Rapper. Euchner will sich wehren, schreibt Mails an die Webseiten. Eine der Seiten ändert daraufhin ihren Nachnamen in einen anderen, ihr Vorname steht jedoch weiterhin dort.

Solche Artikel verletzen eindeutig die Persönlichkeitsrechte von Journalistin Euchner (und die des Rappers Kontra K). Das Recht durchzusetzen bleibt bei Fake-Seiten jedoch schwierig, da oft nicht klar ist, wer die Seiten betreibt. So auch bei „Layline“: Laut Impressum ist ein William A. Glover aus Detroit, USA, für die KI-Nachrichtenseite verantwortlich. Angegeben ist eine E-Mail-Adresse, die durch einen „Fake Mail Generator“ erzeugt wurde. Auch seine vermeintliche Postadresse ist falsch. Andere derartige Seiten weisen ebenfalls gefälschte In­ha­be­r:in­nen im Impressum auf.

Celina Euchner schaffte es aber dennoch, den Betreiber einer Seite zu kontaktieren, auf der Falschnachrichten über sie verbreitet wurden. Als die Journalistin ihn, einen Schweizer SEO-Berater, konfrontiert, löscht er den Beitrag sofort. Und er erklärt ihr, dass er KI-gestützte Nachrichtenseiten nutzt, um möglichst viel Geld mit Werbung zu verdienen. Kontrollieren würde er seine automatisierten Seiten deshalb kaum. Weil Kontra K, einer der erfolgreichsten Rapper Deutschlands, sein Privatleben inklusive Partnerin streng aus der Öffentlichkeit heraushält, suchten viele Fans im Internet nach Antworten. So rankte das Thema bei Google Trends weit oben und wurde auch für die Fake-Nachrichtenseite des Schweizers ausgewählt. Es sei quasi eine Wissenslücke entstanden, die es mit KI zu füllen galt, erklärt der Betreiber Euchner.

Chatbots nehmen die Fake-Infos auf und verbreiten sie

Den ersten Beitrag mit Falschinformationen fand Euchner auf einer anderen KI-Newsseite, er wurde August 2024 veröffentlicht. Als immer mehr KI-Webseiten auf das Thema aufsprangen, platzierte Google die „Nachricht“ noch prominenter, ein Kreislauf. Echte Nachrichtenmedien nahmen es nicht auf, dazu ist es zu schnell als Fake zu entlarven. Dafür aber Chatbots wie Chatgpt.

Solche KI-Assistenten geben in 45 Prozent der Fälle Nachrichteninhalte fehlerhaft wieder, das hat eine im Oktober veröffentlichte Studie der Europäischen Rundfunkunion (EBU) ergeben. Der Grund dafür ist simpel: Je mehr Seiten die Falschinformation als Fakt führen, desto höher schätzen KI-Assistenten wie ChatGPT die Wahrscheinlichkeit, dass eine Information stimmt. Wie viele Menschen Infos von ChatGPT und Co nachprüfen, ist unklar. Und Falschinformationen sind dort weniger leicht zu erkennen, als auf den Fake-Nachrichtenseiten.

Viele Seiten haben die Falschnachrichten über Celina Euchner und den Rapper Kontra K mittlerweile gelöscht, auf einigen sind sie jedoch noch immer zu finden. Immerhin scheint ChatGPT mittlerweile dazugelernt zu haben: „Celina Euchner ist keine Partnerin von Kontra K, sondern ein Opfer von KI-Desinformation“, antwortet der Bot auf Frage des Autors. Euchner selbst hält die Chatbots jedoch für ein weitaus größeres Problem als die Fake-Webseiten, sagt sie der taz. „Sie antworten nach wie vor je nach Tageslage oder gusto.“

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