Beschuldigter Linker Johann G.: JVA beschlagnahmt „Nova“-Shirt von Antifa-Inhaftiertem

Es war ein Statement. Zum Prozessauftakt gegen sieben An­ti­fa­schis­t*in­nen vor dem Oberlandesgericht Dresden am vergangenen Dienstag betrat der Hauptbeschuldigte Johann G., in Handschellen und von Wachleuten hereingeführt, den Verhandlungssaal in einem grünen Shirt, darauf das Logo des israelischen Ravefestivals „Nova“. Das Festival, auf das Hamas-Terroristen im Oktober 2023 ein Massaker mit gut 360 Toten verübten – einer der Ausgangspunkte des jüngsten Nahostkriegs.

Nun gibt es dazu ein Nachspiel: Denn die JVA Dresden, in welcher der 32-Jährige in Untersuchungshaft sitzt, beschlagnahmte laut Auskunft seiner Ver­tei­di­ge­r*in­nen nach G.s Auftritt im Gericht das besagte „Nova“-Shirt – weil es für Unruhe in dem Gefängnis sorgen könnte.

Die JVA Dresden wollte sich zu dem Vorgang nicht äußern. Aus Gründen des Datenschutzes und der Persönlichkeitsrechte mache man zu einzelnen Gefangenen keine Angaben, sagte eine Sprecherin der taz. Sie erklärte aber, dass grundsätzlich in der JVA Kleidung untersagt werden dürfe, wenn sie verboten oder verfassungsfeindlich sei oder wenn damit „eine Botschaft gesendet werden soll, die das geregelte Zusammenleben in der Anstalt gefährdet“. In der JVA Dresden seien Gefangene unterschiedlicher Ethnien und Nationen untergebracht, die dabei berücksichtigt werden müssten, so die Sprecherin. Wenn mit Kleidung etwa zu Hass oder Gewalt aufgerufen werde oder Religionszugehörigkeiten diskriminiert würden, könne das Tragen untersagt werden.

„Kaum zu ertragende Argumentation“

Die Ver­tei­di­ge­r*in­nen von Johann G. haben für die Beschlagnahmung keinerlei Verständnis. „Dass ein Kleidungsstück, auf dem nichts weiter abgedruckt ist als der Name des Festivals, dessen Besucher am 7. Oktober 2023 Opfer des größten Verbrechens an Jüdinnen und Juden seit dem Holocaust wurden, nach Ansicht der Verantwortlichen der JVA Dresden die Sicherheit und Ordnung einer Justizvollzugsanstalt in Deutschland beeinträchtigen soll, ist eine kaum zu ertragende Argumentation“, kritisierte Martin Schaar, einer der Anwälte. „Wir werden einen Antrag an die zuständige Strafvollstreckungskammer stellen, um dies überprüfen zu lassen.“

Auch zum Prozessauftakt hatte das „Nova“-Shirt von Johann G. für Aufsehen gesorgt – und für Diskussionen in der linken Szene. In Social-Media-Beiträgen lobten einige dieses als Zeichen gegen Antisemitismus, andere kritisierten G. als „Zionisten“. Politisch hatte sich der Leipziger schon vorher innerhalb der Antifa-Szene positioniert. Er soll auch Teil der „Nakam“-Graffiti-Crew gewesen sein, was die Gruppe einerseits mit „Nazis kaputt machen“ übersetzte, sich andererseits aber auf eine gleichnamige jüdische Gruppe bezog, die nach 1945 Rache für die NS-Verbrechen nehmen wollte. Nakam steht hebräisch für „Rache“.

In dem Dresdner Prozess wird Johann G. von der Bundesanwaltschaft vorgeworfen, mit fünf Mitangeklagten eine kriminelle Vereinigung gebildet zu haben, die von 2018 bis 2023 mehrere schwere Angriffe auf Rechtsextreme verübte. Ein weiterer Angeklagter gilt als Unterstützer. Johann G. soll laut Anklage eine „herausgehobene Stellung“ gehabt, soll Trainings, Ausspähungen und Angriffe organisiert haben und bei fast allen Taten dabei gewesen sein.

Vor seiner Festnahme am 8. November 2024 war Johann G. fast vier Jahre abgetaucht. Zu den Vorwürfen schweigt er bisher. Seine Ver­tei­di­ge­r*in­nen kritisierten zu Prozessbeginn eine Vorverurteilung von G.: durch Festlegungen in einem früheren Prozess gegen vier weitere An­ti­fa­schis­t*in­nen, darunter seine Ex-Verlobte Lina E., durch Medienberichte und durch seine Haftbedingungen.

Tatsächlich hatte die JVA Dresden Johann G. direkt nach seiner Festnahme unter strengsten Bedingungen inhaftiert. So wurde G. anfangs in einem besonders geschützten Sicherungshaftraum untergebracht und stand mit einer sogenannten Sitzwache unter Dauerbeobachtung. Wenn er die Zelle verlassen durfte, wurden seine Hände und Füße gefesselt. Über mehrere Wochen befand sich Johann G. in „Absonderung“, durfte keine anderen Gefangenen treffen oder an Gemeinschaftsveranstaltungen teilnehmen. „Unser Mandant befand sich praktisch in Isolationshaft“, kritisierte Anwalt Schaar. Er und seine Mit­ver­tei­di­ge­r*in­nen hatten gegen diese Auflagen geklagt – und zuletzt Recht bekommen. Das Oberlandesgericht Dresden erklärte nach Schaars Auskunft die Maßnahmen nachträglich für rechtswidrig.

Im Prozess vor dem Oberlandesgericht Dresden drohen Johann G., der einschlägig vorbestraft ist, derweil mehrere Jahre Haft – auch weil die Bundesanwaltschaft zwei der Angriffe auf Rechtsextreme, in Dessau-Roßlau und Erfurt, als versuchten Mord wertet. Die Ver­tei­di­ge­r*in­nen ziehen vor allem bei diesen beiden Angriffen jedoch die angeführten Indizien in Zweifel, dass G. am Tatort war – ein vermeintlicher DNA-Treffer und Videoaufnahmen der vermummten Angreifer durch Passanten.

Die Vorwürfe gegen G. seien schwer und man nehme sie sehr ernst, sagte seine Anwältin Kristin Pietrzyk zu Prozessbeginn. Man erwarte aber auch, dass das Gericht ernsthaft prüfe, ob diese Vorwürfe stichhaltig seien oder auf Mutmaßungen beruhten.

Der Prozess gegen Johann G. und die sechs Mitangeklagten geht am Montag weiter. Wegen der vielen Tatvorwürfe sind bisher Prozesstermine bis ins Jahr 2027 angesetzt.

  • informationsspiegel

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