Studie zu gesundem Leben: Andere machen mehr gegen Alkohol, Tabak und schlechtes Essen

Eigentlich ist es ganz einfach: Weniger Alkohol, Tabak und Zucker sowie mehr Bewegung verhindern individuelles Leid und jährliche Kosten für die Volkswirtschaft im mehrstelligen Milliardenbereich. Das weiß im Grunde jede*r, zu viele leben trotzdem nicht entsprechend.

Deshalb gibt es unter anderem von der Weltgesundheitsorganisation klare Empfehlungen für unterstützende politische Maßnahmen, deren Wirksamkeit gut belegt ist. Deutschland hätte diese Maßnahmen bitter nötig, schließlich ist es Spitzenreiter bei den Kosten für das Gesundheitssystem, aber unterdurchschnittlich in Sachen Lebenserwartung.

In einem neuen Public-Health-Index haben der AOK Bundesverband und das deutsche Krebsforschungszentrum DKFZ jedoch festgestellt: Bei politischen Maßnahmen zur Prävention liegt Deutschland auf dem vorletzten von 18 verglichenen europäischen Ländern. Die Zögerlichkeit der deutschen Gesundheitspolitik sei absolut unverständlich, sagte die AOK-Vorsitzende Carola Reimann bei der Vorstellung des Index.

Auch im Detail stellte sie ein betrübliches Zeugnis für Deutschland aus: Jeder zweite Erwachsene habe mindestens zwei chronische Erkrankungen. Dabei seien mitnichten nur die Älteren betroffen. Die Geburtsjahrgänge ab 1975 seien teils kränker als ihre Vorgängergenerationen. Adipositas, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes sind wesentlich auf einen Lebenswandel mit zu viel Alkohol, Tabak, ungesunder Ernährung und Bewegungsmangel zurückzuführen.

Die Ver­tre­te­r*in­nen von Krankenkasse, Krebsforschungszentrum und Bundsärztekammer machten deutlich: Der Grundstein für eine gesunde oder ungesunde Lebensweise wird oft schon in der Kindheit gelegt und die Gestaltung der Umgebung fördert diese je nach Ausgestaltung erheblich.

Deutschland fast überall hinten

Ein ganzer Katalog von wissenschaftlich empfohlenen Maßnahmen zur Prävention ist die Grundlage des Public-Health-Index. Deren Umsetzung wurde für 18 Länder bewertet, darunter die Nachbarländer Deutschlands, die baltischen und skandinavischen Staaten sowie Großbritannien und Irland.

Deutschland belegte in den vier untersuchten Bereichen (Maßnahmen im Bereich Tabakkonsum, Alkoholkonsum, Ernährung und Bewegung) fast überall hintere Plätze. Nur in der Bewegungspolitik reichte es fürs Mittelfeld – allerdings beruhte hier die Bewertung auf einer Selbsteinschätzung der Regierungen.

Spitzenreiter waren etwa Norwegen mit einer strikten Alkoholpolitik (erst ab 20 Jahren erlaubt, hoch besteuert und erhältlich nur in lizenzierten Geschäften), Irland im Bereich Tabakpolitik (nur neutrale Zigarettenschachteln, höhere Steuer, strikte Rauchfreiheit selbst in Pubs) und Großbritannien in der Ernährungspolitik (Stichwort Zuckersteuer).

Lobby schlägt Bevölkerung

Zwar seien die Spit­zen­rei­te­r*in­nen im Bereich Prävention auch nicht unbedingt die mit den gesündesten Bür­ge­r*in­nen – gerade in Großbritannien ist Adipositas bei Kindern weit verbreitet. Allerdings hätten diese Länder offenbar die richtigen Schlüsse gezogen und verstärkt Maßnahmen ergriffen, so die Ver­tre­te­r*in­nen der AOK. Derweil verharre Deutschland bei Diskussionen um Rauchverbote im Auto, wenn Kinder dabei sind, und begleitetem Alkoholkonsum ab 14.

An Gegenwind aus der Bevölkerung könne es nicht liegen, dass die Politik in Deutschland sich auffallend schwertue. Studien belegten einen großen Rückhalt etwa für Werbebeschränkungen und höhere Abgaben bei Tabak, Alkohol und ungesunden Lebensmitteln. Hinderlich sei eher der starke Lobbyismus in Deutschland, etwa aus der Tabakindustrie, hieß es bei der Vorstellung des Public-Health-Index.

Leisten könne sich das die deutsche Politik eigentlich nicht. Auch vor dem Hintergrund der Kostendebatte um die gesetzliche Krankenversicherung sei, so Reimann von der AOK, Präventionspolitik „der wirksamste Hebel zur langfristigen Stabilisierung des Solidarsystems“.

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