Russische Sprache in der Ukraine: Schutzlos per Gesetz

Das ukrainische Parlament, die Werchowna Rada, hat am Mittwoch in letzter Lesung ein Gesetz zum Schutz von Minderheitensprachen verabschiedet. Mit der neuen Vorschrift will Kyjiw seine Gesetzgebung mit der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen des Europarates in Einklang bringen.

In dem neuen Gesetz, das zu schützende Minderheitensprachen auflistet, wird Russisch nicht erwähnt. Aus dem Katalog gestrichen wurde auch Moldauisch, das ausschließlich als Rumänisch aufgeführt wird. Befürworter des Gesetzes sind der Auffassung, dass dieses den Minderheitenschutz verbessere, die Gesetzgebung harmonisiere und das internationale Standing der Ukraine im Bereich Menschen- und Minderheitenrechte stärke.

Außerdem würden Sprachen nun korrekt benannt. So spreche man jetzt von „Hebräisch“ und nicht von der „jüdischen Sprache“. Endlich gebe es eine einheitliche Rechtsgrundlage, vermeide widersprüchliche Regelungen und der Minderheitenschutz werde umgesetzt. Minderheitensprachen würden künftig im Bildungsbereich, den Medien und bei staatlichen Behörden präsenter sein, so die Argumentation der Befürworter des Gesetzes.

Auch der Abgeordnete Wolodymyr Wjatrowytsch begrüßte die Entscheidung des Parlaments. „Ich gratuliere und danke allen, die diesen Tag möglich gemacht haben“, textete der sichtlich erfreute Wjatrowytsch auf seiner Facebook-Seite.

Ukrainische Erinnerungspolitik

Wjatrowytsch steht wie kaum ein anderer für die ukrainische Erinnerungspolitik nach 2014. In diesem Jahr wurde er Chef des der Regierung unterstellten Instituts für Nationales Erinnern. Erst mit der Abwahl von Präsident Petro Poroschenko 2019 musste er diesen Posten räumen. Seit 2019 ist Wjatrowytsch Abgeordneter der Partei Europäische Solidarität.

Wenn es um den Bau oder Abbau von Denkmälern geht, wird immer eine Stellungnahme dieses Instituts eingeholt. Das Gleiche gilt für staatliche Feier- und Gedenktage, den Geschichtsunterricht und den Umgang mit Symbolen der sowjetischen Vergangenheit.

Ein entsprechender Gesetzesentwurf zum Status von Minderheitensprachen war bereits im Oktober 2025 von der Regierung eingebracht worden, jedoch zunächst unter Verweis auf europäische Bedenken zurückgezogen worden.

Scharf kritisiert wird das neue Gesetz von der Odessitin Anastasia Piliavsky. Die Professorin für Anthropologie am King’s College in London, die auch für den Spectator, den Economist und die Times of India schreibt, ist Gründerin von Cosmopolis. Dabei handelt es sich um einen Zusammenschluss von Intellektuellen, die sich dem Schutz kultureller Freiheiten verschrieben haben.

Juristische Grundlage

Sie beklagt, dass die vollständige Verdrängung des Russischen aus dem öffentlichen Leben, dem Bildungswesen und im Geschäftsleben nun auch eine juristische Grundlage erhalten habe. Dies sei beispiellos in Europa.

„In der EU gibt es kein einziges Land, in dem eine Gruppe von mehr als 10 Prozent der Bevölkerung keinen Schutz ihrer Sprachrechte genießt. In der Ukraine geht es um 50 Prozent und mehr“, so Piliavsky gegenüber der taz.

Dieses Vorgehen werde von der breiten Bevölkerung nicht unterstützt, wie ihre Beobachtungen in den sozialen Netzen zeigten. „Da die Ukraine 1991 als politische Nation sowohl russisch- als auch ukrainischsprachiger Bürger gegründet wurde, empfinden manche diesen Schritt als Bruch des ursprünglichen gesellschaftlichen Vertrags.“ Mit Kulturpolitik habe dieser Schritt nichts zu tun. „Das ist vielmehr ein Schlag gegen die innere Einheit unseres Landes“, so Piliavsky.

  • informationsspiegel

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