Debütfilm von Constanze Klaue: Mit den harten Jungs abhängen

Wenn Constanze Klaues Romanverfilmung „Mit der Faust in die Welt schlagen“, die eine Woche vor der Bundestagswahl ihre Premiere auf der Berlinale hatte, gut einen Monat nach der Bundestagswahl in die Kinos kommt, dürfte sie angesichts eines erwartbar starken Ergebnisses der AfD zur Ursachenforschung herangezogen werden.

So wie seit vielen Jahren üblich bei neuen Büchern, Filmen und Songs, die sich mit dem Osten der Republik beschäftigen. Eine klare Antwort auf die drängenden Fragen der Gegenwart ist allerdings nicht zu erwarten, und so ist es auch eine der größten Stärken von Klaues Film, dass er gar nicht versucht, Antworten zu geben, sondern einfach beobachtet.

Bevor sie zum Film kam und nun mit 40 Jahren ihren Debütfilm realisieren konnte, war die im damaligen Ostberlin geborene Klaue als Jazzsängerin erfolgreich und hatte sich schon mit ihrem Kurzfilm „Lychen 92“ mit der Nachwendezeit in Ostdeutschland beschäftigt.

Ursprünglich wollte sie auch ihren ersten Langfilm auf der Basis eigener Erfahrungen schreiben, doch dann stieß Klaue auf den 2018 erschienenen Roman „Mit der Faust in die Welt schlagen“ von Lukas Rietzschel, einer der vielen literarischen Versuche, sich mit den sogenannten Baseballschlägerjahren auseinanderzusetzen, mit dem Aufwachsen in den neuen Bundesländern, in den nicht wirklich blühenden Landschaften, in einer Welt, in der Freunde und Mitschüler auf einmal Glatze tragen und Nazi-Parolen skandieren.

Der Film auf der Berlinale

18. 2., 21.30 Uhr, Cubix 8

20. 2., 15.30 Uhr, Colosseum 1

21. 2., 14.45 Uhr, Cubix 9

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Ein Genre im Entstehen

In der Literatur kann man angesichts der Vielzahl der Veröffentlichung inzwischen von einem eigenen Genre sprechen, im deutschen Kino scheint dieses gerade zu entstehen: In Kürze kommt Laura ­Laabs’ schon beim Max-Ophüls-Festival ausgezeichneter Film „Rote Sterne überm Feld“ ins Kino, ebenfalls ein Film einer 1985 in Ostberlin geborenen, dann in der Provinz aufgewachsenen Regisseurin.

Vielleicht kein Zufall, dass sowohl Laabs als auch Klaue ähnlich an ihre Sujets herangehen, wobei Laabs weiter in die Vergangenheit blickt, als es Klaue tut. Klaues Film beginnt 2006, irgendwo in der Oberlausitz, ein genauer Ort wird nicht genannt, so wie viele zeitliche Marker – von 9/11, über das Oderhochwasser 2002 bis zur Fußball-WM in Deutschland –, die Rietzschels Roman noch genau in einer bestimmten Realität verorteten, verschwunden sind.

Bewusst offen bleibt Klaue in ihrem Blick auf die beiden Brüder Philipp (Anton Franke) und Tobi (Camille Moltzen), anfangs zirka zwölf und neun Jahre, die aufwachsen, frei und weitestgehend ohne Kontrolle. Ihre Eltern, die Mutter Sabine (Anja Schneider) und Vater Stefan (Christian Näthe), arbeiten als Krankenschwester beziehungsweise Elektriker und versuchen, sich etwas aufzubauen.

Doch die Realität ist trist, bald wird Stefan entlassen, die Schule ist öde, die Jungs driften herum, machen den Blödsinn, den Jungs in diesem Alter eben so machen, und dann beginnt Philipp, „Jude“ auf seine Schulhefte zu ­schreiben und mit den etwas älteren, den harten Jungs abzuhängen.

Betont nüchtern beobachtet Constanze Klaue das Leben der Brüder, gefilmt in Breitwandbildern, die besonders gut die Weite, aber auch die Leere der Provinz einfangen, ein Leben, in dem nicht viel passiert, in dem man gerade als angehender Teenager leicht abgelenkt werden, auf die sprichwörtlich schiefe Bahn geraten kann. Im Gegensatz zum Roman verzichtet Klaue auf deutliche Bilder der Gewalt gegen Migranten, vieles bleibt vage, passiert im Off der elliptischen Erzählweise. Ohne dabei zu verharmlosen, zeichnet sie ein realistisches Bild einer Welt, wohlgemerkt nicht nur einer ostdeutschen, in der fehlende Per­spektive leicht zu falschen Entscheidungen führen kann.

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