Reportersprache in der Stilkritik: Mit Galle und Wille gegen den Ball

D ie Arminen aus Bielefeld haben Erfolg, weil sie „sehr viel galliger“ geworden sind. Der kleine Joshua Kimmich ist nach Selbstauskunft derzeit einfach „galliger, griffiger, gieriger“. Bundestrainer Nagelsmann verlangte vor dem letzten Spiel „Gier und Galligkeit gegen ein ekliges Nordirland“. Die repetitive Attribut-Wolke ballt sich jede Woche, an jedem Spieltag unheilvoll über jedem Stadion zusammen, das Fußballreportern Zugang gewährt. Die Mannschaft ist entweder gallig, gierig, griffig, hungrig, eklig, oder – bei Niederlagen – sie hat nicht genug dieser Eigenschaften.

Zur Epidemie gehört die Ansteckung. Inzwischen ist schon der Trainingsbetrieb vom einschlägigen Vokabular bedroht: Selbst beim Lieblingsverein SC Freiburg gemahnt der Manager den Spieler Maximilian Philipp, er sei im Training nicht gallig genug.

Jetzt ist es natürlich so: Wenn du gallig bist, kannst du nicht gleichzeitig hungrig sein, weil die gelb-grüne Gallenflüssigkeit ja nur dann großzügig ausgeschüttet wird – rund 750 Milliliter täglich –, wenn du üppig und fett gegessen hast. Hier müssen sich Trainer und Spieler entscheiden: hungrig oder gallig. Andererseits: Wenn du hungrig bist, wirst du gierig, das passt wieder!

Was nun den sympathischen Spieler Philipp angeht: Dem fehlt womöglich nur ein Gänsebraten mit Rotkohl. Der Martinstag könnte helfen. Obwohl dann die Gallenkolik schon leicht um die Ecke schaut. Also doch lieber Truthahn? „Durch unsauberes Ausweiden war der Truthahn gallig und ungenießbar“, sagt ein bekanntes Onlinelexikon, das Beispielsätze zu dem seit dem 16. Jahrhundert gebräuchlichen Adjektiv „gallig“ auflistet. Letzte Zuflucht: Käsebrötchen.

Bis zum Erbrechen

Vom Galligen zum Ekligen ist es ja oft nur ein Katzensprung. Immer mehr Spieler räsonieren in inhaltsreichen Interviews: „Es muss eklig sein, gegen uns zu spielen.“ Wollen sie Socken und Trikots den Hauptwaschgang verweigern? Es stimmt, gerade der Geruch ist stramm ekelkonnotiert und kann bei gegnerischen Mannschaften Brechreiz, Schweißausbrüche auslösen, gar sinkenden Blutdruck bis hin zur Ohnmacht erzeugen.

Der Ekel wurde schon vom großen Jean-Paul Sartre in seinem gleichnamigen Roman von 1938 thematisiert. Im Mittelpunkt steht neben der grenzenlosen Freiheit des Individuums vor allem die Absurdität aller Dinge und Menschen. Das wirkt ausgesprochen aktuell im Fußball-Deutschland des Jahres 2025. Wobei auf dem Platz die grenzenlose Freiheit natürlich schnell aufhört, wenn der Schiri pfeift.

Zum Schluss noch ein besonders schönes Adjektiv: willig! Die analytisch tiefsitzende Aussage, die siegreiche Mannschaft habe ihn (den Sieg) „einfach mehr gewollt“, ist ein weiterer schillernder Baustein kreativer Reporterprosa und von wahrhaft philosophischer Tiefe. Sartre kann uns da nicht weiterhelfen, aber Arthur Schopenhauers „Die Welt als Wille und Vorstellung“. Die Kraft (eines Fußballspielers – der Autor), so betont der Philosoph, ist eine Erscheinungsform des Willens. Deshalb „beruht der Wille nicht auf einer Kraft, sondern die Kraft auf dem Willen“. Haben das jetzt auch die Jungs und Mädels von Sky und Dazn verstanden? Großartig!

Übrigens soll neulich eine Mannschaft gegen Leverkusen sieben Tore geschossen haben, die weder besonders gallig noch eklig war und deren Trikotage auch nicht besonders duftig gewesen ist. Dafür waren sie spritzig, kreativig, spielwitzig, schnellig, dribbelstarkig, kombinationssicherig und abschlussfreudig. Die jungigen Männer waren einfach gutige Kicker.

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