
„Die Repression gegen die palästinasolidarische Bewegung, die in den letzten zwei Jahren überwiegend friedlich gegen die genozidale Kriegsführung Israels und für das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser*innen demonstriert hat, überschreitet jedes Maß und verletzt demokratische Grundrechte auf gravierende Weise“, sagt Clara Bünger, die innenpolitische Sprecherin und stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag. „Ebenso besorgniserregend ist die zunehmende Polizeigewalt gegen Antifaschist*innen, die gegen die AfD auf die Straße gehen.“ Es sei daher „keine Überraschung“, dass Deutschland im Civicus-Monitor herabgestuft wurde, so die 39-jährige Juristin.
Die Organisation Civicus hat Deutschland in ihrem jüngsten globalen Jahresbericht über bürgerliche Freiheiten herabgestuft – von „beeinträchtigt“ auf „beschränkt“. Der Grund dafür ist insbesondere das staatliche Vorgehen gegen propalästinensische Solidaritätserklärungen. So habe allein die Berliner Polizei fast 9.000 Strafanzeigen im Zusammenhang mit propalästinensischen Demonstrationen gestellt. NGOs sähen sich mit Mittelkürzungen, Razzien und Überwachung konfrontiert – unter anderem, wenn sie sich kritisch zum israelischen Vorgehen in Gaza geäußert hätten, so die Autorinnen und Autoren des Berichts.
Civicus ist eine internationale und gemeinnützige Organisation, die sich für Bürgerrechte und Bürgerengagement einsetzt. Sie wurde 1993 gegründet und hat seit 2002 ihren Sitz in Johannesburg, Südafrika, weitere Büros unterhält sie in Genf und New York. Nach eigenen Angaben hat sie 4.000 Mitglieder in 175 Ländern und wird aus verschiedenen Quellen finanziert, darunter von europäischen Staaten, der Ford Foundation und den Open Society Foundations.
Rasanter Absturz auf der Skala der Freiheitsrechte
Der Civicus-Monitor vergleicht und bewertet den Stand der bürgerlichen Freiheiten – darunter Meinungsfreiheit, Vereinigungsfreiheit und das Recht auf friedliche Versammlung – in 198 Ländern und stuft sie in fünf Kategorien ein: offen, beeinträchtigt, beschränkt, unterdrückt oder geschlossen.
Erst im Jahr 2023 hatte der Civicus-Monitor Deutschland von „offen“ auf „beeinträchtigt“ herabgestuft. Nun sank es weiter auf die dritte Stufe „beschränkt“ herab. Die Verschlechterung des zivilgesellschaftlichen Handlungsraums in Deutschland habe sich „in alarmierendem Tempo“ vollzogen.
Deutschland stehe damit auf einer Stufe mit Frankreich und Großbritannien, die im aktuellen Bericht ebenfalls herabgestuft wurden, sowie den USA, Ungarn, Brasilien und Südafrika. Als „offen“ stuft Civicus die Lage lediglich in Kanada, Skandinavien und im Baltikum ein, in einigen anderen europäischen Ländern wie Irland, Portugal und Slowenien, in Japan und Taiwan sowie in Uruguay und Neuseeland.
Exzessive Polizeigewalt hat viele Formen
„Anstatt auf die Appelle an das Gewissen zu hören, haben Regierungen in ganz Europa versucht, diejenigen zum Schweigen zu bringen, die sich gegen Völkermord aussprechen“, sagte Tara Petrović, Europa-Forscherin für den Civicus Monitor. Deutschland stehe hier an vorderster Front. „Statt diejenigen zu unterstützen, die sich für Menschenrechte einsetzen, hat Deutschland Kritik an Israel mit Antisemitismus gleichgesetzt, was zu einer landesweiten Einschüchterung der Meinungsfreiheit, einer Ermutigung der Rechten und einer Unterdrückung der Stimmen der Zivilgesellschaft geführt hat.“
Die exzessive Polizeigewalt gegen Teilnehmer*innen, Journalist*innen und parlamentarische Beobachter*innen bei Demonstrationen gegen den Krieg in Gaza fällt stark ins Gewicht. Zu den zahlreichen Vorfällen, die das Civicus-Forscherteam registriert hat, gehören Einkesselungen, Pfefferspray, Schläge und Würgegriffe. Die Demonstrationen würden übermäßig stark reglementiert, und jeder vermeintliche Verstoß führe zu einem gewaltsamen Eingreifen der Polizei.
Im Januar 2025 etwa wurde eine Kundgebung gewaltsam aufgelöst, nachdem Menschen dort auf Arabisch gesprochen und damit gegen eine Auflage verstoßen hatten, die das verbietet. Zwei Veranstaltungen mit der UN-Sonderberichterstatterin Francesca Albanese in Berlin wurden auf politischen Druck hin an einen anderen Ort verlegt und von einem massiven Polizeiaufgebot begleitet. Studierende, die einen Livestream der Veranstaltung verfolgten, wurden ebenfalls von der Polizei aufgesucht.
Repression auch gegen Anti-AfD-Proteste und NGOs
Auch Protesten gegen die AfD würde mit Polizeigewalt begegnet – etwa beim Parteitag in Riesa im Januar 2025, als der sächsische Abgeordnete Nam Duy Nguyen von der Polizei bewusstlos geschlagen wurde. Kritik üben die Forscherinnen und Forscher von Civicus auch am Vorgehen der CDU gegen NGOs, denen sie mangelnde „politische Neutralität“ vorwirft und die sie vom Verfassungsschutz überprüfen lassen will.
Die Linken-Politikerin Clara Bünger fordert, damit müsse Schluss sein: „Von den Regierungen in Bund und Ländern erwarte ich, dass sie aus dem Bericht Konsequenzen ziehen und die willkürliche und unverhältnismäßige Verfolgung der palästinasolidarischen und antifaschistischen Bewegungen umgehend beenden.“







