
I Ich krieg ein Hasskick, Adrenalin. Sie gaffen miese, wenn man uns zusammen sieht. Lachkick, aus Prinzip. Hoes over money, du hast beides nicht, du Piç.“ Wenn ich diese Lines aus Hasskick von Wa22ermann und OG Lu auf dem Heimweg höre, spannt sich mein ganzer Körper an, ich ziehe meine Augenbrauen zusammen. Ich laufe, als hätte ich gleich einen wichtigen Termin. Ich denke: „Okay, jetzt könnte ich jemanden wegkicken, wenn er mir nur zu nah kommt.“ Rein hypothetisch natürlich. Denn meine Trittfähigkeiten sind so gut wie nicht vorhanden und ich bin circa 1,5 Meter groß.
Aber für 2:25 Minuten Songlänge fühlt es sich eben so an. Und dieses Gefühl, sich auf die Stärke seines Körpers verlassen zu können, sich im Ernstfall schützen zu können, auch wenn das nur Schein ist, möchte ich öfter erleben.
Und der Weg dahin ist mir klar: wieder Kampfsport machen. Ich war ja schon mal beim Kickboxen. Eine Weile sogar echt regelmäßig. Die Situation war eigentlich die beste, die man sich vorstellen konnte: FLINTA*-Training, ich konnte sogar mit ein paar Friends zusammen trainieren. Und trotzdem bin ich irgendwann nicht mehr hingegangen. Klassiker.
Ich habe nie verstanden, warum mein Bein nicht machen will, was alle anderen Beine im Raum völlig selbstverständlich tun
Neben der Zeit, die ich nicht investiert habe, sind eine Stolperfalle auf jeden Fall die Ripkicks, also das Kicken mit dem Schienbein auf Rippenhöhe der Gegner:innen. Das gehört beim Kickboxen dazu. Ich habe nie verstanden, warum mein Bein nicht machen will, was alle anderen Beine im Raum völlig selbstverständlich tun. Dieses Hochheben fühlt sich bei mir an, als versuche ich, das Bein aus seinem Gelenk zu reißen. Wenn ich dann doch trete, lande ich zuverlässig überall, aber nicht auf den Rippen des Gegners. Peinlich und gar nicht mal so furchteinflößend. Daher habe ich aufgegeben.
Im Flow mit Haken, Geraden und Uppercuts
Aber well, wahrscheinlich würde ein bisschen Disziplin und Regelmäßigkeit helfen, sagt man ja so. Deswegen stehe ich jetzt also wieder, nach über einem Jahr, zum Kickboxen in der Halle. In Socken auf dem Schaumstoffboden, weil ich mich vor den Käsefüßen der anderen ekele. Vor den schwitzigen Leihhandschuhen graut es mir auch schon. Kurz vor dem Training habe ich mir Gel-Nails machen lassen, so könnte ich realistisch gesehen eher jemandem den Rücken zerkratzen, als einen ordentlichen Haken verpassen.
Na ja, immer bin ich gemeinsam mit einer Freundin dort, das motiviert mich. Und erstaunlicherweise: Haken, Geraden, Uppercuts gehen klar. Ich bin im Flow, denke an Wa22ermanns Part „Reißen sie die Fresse, kick die Pisser mit Plateau.“ Dann kommt die Trainerin zu mir und sagt: „Nicht so viel rumwackeln, dann kann man sich nicht gut verteidigen.“ Okay. Das hat gesessen, etwa auf Höhe der Magengrube. Kaum habe ich mich sortiert, soll ich einen Ribkick vormachen. Und natürlich ist er immer noch exakt so hoch und lasch wie vor einem Jahr.
Und trotzdem erwische ich mich dabei, wie ich gedanklich schon einen Boxsack in meinem Zimmer aufhänge. Wie teuer wohl die günstigsten Handschuhe sind. Ob man Ribkicks wohl im Geheimen üben kann, ohne dass jemand sieht, wie lächerlich es aussieht. Mit der Freundin mache ich den Rest der Übung, und wir müssen dabei viel lachen, weil es irgendwie lustig ist, sich in solch einer Situation zu vermöbeln. Ich hoffe, ich ziehe es dieses Mal durch. Ob mein Ripkick irgendwann besser wird? Keine Ahnung. Aber die Chancen sind hoch, dass ich mich zumindest ein bisschen bosshafter und cooler fühle mit Kickboxen als ohne.






