
„Großbritannien und die Schweiz haben sich am Anfang der Schlange für ein Handelsabkommen eingereiht, während die EU viel langsamer war“, sagte US-Finanzminister Scott Bessent in Genf. Großbritannien war das erste Land aus einer Gruppe von rund 15 Staaten, das sich bereits mit der US-Regierung auf ein Abkommen einigen konnte. Bis spätestens Sonntag, so Bessent, soll nun auch die Schweiz eine Absichtserklärung unterzeichnen. Sie würde die Grundlage für abschließende Verhandlungen bilden.
Am Mittwoch reagierte entsprechend die Schweizer Regierung, der Bundesrat. Er beauftragte das Finanz- sowie das Wirtschaftsdepartement damit, die Gespräche mit den USA weiterzuführen. Die Verhandler:innen sollen einen „baldigen Abschluss einer unverbindlichen Absichtserklärung anstreben“, sagte ein Sprecher des Wirtschaftsdepartements der taz.
Beide Parteien wollten eine Beschleunigung der Gespräche, sagte Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter am Freitag in Tirana sagte. Die von den USA erlassenen 31 Prozent Importzölle auf Güter aus der Eidgenossenschaft seien derart hoch, dass sie Arbeitsplätze in der Schweiz gefährden. „Deshalb müssen wir schnell eine Lösung finden“, so Keller-Sutter. Möglicherweise soll es am Sonntag in Rom am Rande der offiziellen Amtseinsetzung von Papst Leo XIV Gespräche mit Vertretern der USA geben.
Schmeichel-Strategie birgt auch Risiken
Anders als die EU, die auf Trumps Entscheid unter anderem mit Gegenzöllen drohte, hatte die Schweizer Regierung zurückhaltend auf den Zollhammer des „Liberation Day“ von US-Präsident Donald Trump reagiert. Und sogar mit Schmeicheleien. Die Skandal-Rede des US-Vizepräsidents JD Vance beim Münchner Sicherheitsforum lobte Keller-Sutter als „schweizerisch“.
Doch nicht nur freundliche Worte verschafften der Schweiz eine Pole Position im Zollpoker. Sie ist der sechstgrößte Investor in den USA. „Das ist bemerkenswert für eine Volkswirtschaft mit nur neun Millionen Menschen“, sagte dazu US-Finanzminister Bessent. Laut Medienberichten arbeitet das Departement Wirtschaft, Bildung und Forschung derzeit an einem Paket in Höhe von 150 Milliarden Franken, die Schweizer Firmen in den USA investieren sollen.
Für Politökonomin Stefanie Walter von der Universität Zürich ist das strategisch klug – auch, weil Teile dieser Investitionen ohnehin geplant waren: „Nun werden sie bewusst ins Schaufenster gestellt“, so Walter. Der Pharmakonzern Novartis kündigte beispielsweise Anfang April an, in den kommenden fünf Jahren 23 Milliarden Franken in den USA zu investieren.
Doch die Strategie birgt auch Risiken. So wäre bei einem Deal nach dem Vorbild Großbritanniens möglich, dass die USA von der Schweiz eine Senkung der Landwirtschaftszölle fordert. Dann wäre jedoch Widerstand des mächtigen Bauernverbands sicher. Zudem könnte eine Einigung mit den USA das Verhältnis mit der EU, der wichtigsten Handelspartnerin der Schweiz, strapazieren. Denn Brüssel zeigt sich deutlich konfrontativer gegenüber Washington: Die EU droht mit Strafzöllen auf US-Waren. Der Schweizer Weg sei ein „Drahtseilakt“, so Walter.
Fabian Molina, Nationalrat der Sozialdemokratischen Partei und Experte für Europapolitik, sieht diese Strategie kritischer: „Wenn die Schweiz so weitermacht, ist nicht ausgeschlossen, dass sie von allfälligen EU-Gegenmaßnahmen auch betroffen sein wird.“ Für ihn ist der aktuelle Kurs nicht nur falsch, sondern naiv: Die Schweiz falle auf Trumps Strategie herein, so Molina – und erinnert an Trumps Aussage: „They’re kissing my ass.“







