Strukturwandel im Weinbau: Wo das Rebenmeer zum Friedhof wird

M an meint, die gesamte Vegetation würde trauern. Sogar das Gras ist auf dem leeren Stück Weinberg bleicher und strohiger als drumherum. Und wie ein Grabstein ragt noch ein abgebrochener Rebstock aus einer der leeren Zeilen.

Wandert man durch die Weinberge in Unterfranken, sieht man regelmäßig solche Flächen, wo einst die Weinstöcke in Reih und Glied standen und sich nun Wildwuchs breitmacht. Sie sind der Spiegel einer Krise und gleichzeitig eines tiefgreifenden Strukturwandels, der den Weinbau erfasst. Er hat vielfältige Ursachen. Schon seit einigen Jahren sinkt der Alkoholkonsum, gleichzeitig steigt der Aufwand im Weinbau. Da sind die Energiepreise, die Lohnkosten, zusätzlich zwingt die Erderwärmung auch Win­ze­r:in­nen fast überall zu Anpassungen und Investitionen. Nicht wenige geben auf.

Die Zahlen sind deutlich. Gab es in den 1990er Jahren in Franken noch um die 10.000 Winzerbetriebe, sind es aktuell nach Angaben des Fränkischen Weinbauverbands nur noch rund 3.000. Und damit sei noch lange nicht Schluss: Von derzeit etwa 6.300 Hektar Rebfläche würden 10 Prozent in den nächsten Jahren stillgelegt, schätzt der Verband.

Auch bei uns am Stammtisch ist die Krise Thema. Einen Weinberg zu besitzen, das war vor Jahrzehnten noch ein Ausweis von Wohlstand. Heute sind die Flächen nahezu unverkäuflich. Es trifft vor allem die kleineren Weinbauern, die über Jahrzehnte ohne eigene Kellerei für Genossenschaften produziert haben. Dass sie aufgeben müssen, empfinden die Menschen als besonders hart.

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Heißt die Zukunft also Brache? Das fragen mich immer wieder Gäste, die so einem Weinfriedhof bei ihren Wanderungen begegnen und die Trauer mit an die Rezeption nehmen. Ich bin mir sicher, das muss nicht so sein. Denn man muss sich vor Augen halten: Das Bild, das wir von Weinbaugebieten haben, ist ein ziemlich junges. Es ist mit der Flurbereinigung entstanden, die nach dem Zweiten Weltkrieg die Landwirtschaft industrietüchtig machte. Die Weinbaugebiete wurden verdichtet, Parzellen wurden zusammengelegt, Zuwege vergrößert, die Abstände zwischen den Weinstöcken für den Einsatz von Traktoren erweitert.

Es entstanden weitläufige Monokulturen, wie auf allen Feldern der Landwirtschaft. Man taufte sie romantisch „Rebenmeere“, was half, zu vergessen, dass einst Trockenmauern, Hecken­, Streuobstwiesen und Tierweiden die Weinbergslandschaft unterteilten. Nicht einmal 70 Jahre gibt es das neue Landschaftsbild nun, und nachhaltig war es nie. Mehr Diversität ist notwendig. Die brachliegenden Inseln in den Rebenmeeren werden dafür – hoffentlich – die Pionierflächen sein.

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